Franziska Pietsch, Niclas Nordholdt, Dr. Frank Schreibe, Selina Broska (v.l.n.r.)

Teambesprechung: Franziska Pietsch, Niclas Nordholdt, Dr. Frank Schreiber, Selina Broska, (v.l.n.r.)

Quelle: BAM

Ratten, Mäuse, Holzwürmer, Motten, Mücken, Schimmelpilze. Alleine die Aufzählung jagt vielen Menschen kalte Schauer über den Rücken. Sie gelten als Schädlinge, und wir setzen Biozide ein, um diese Organismen zu töten und Materialien oder Produkte vor Befall zu schützen. Lebewesen können sich jedoch mit der Zeit an einen Wirkstoff gewöhnen und werden unempfindlich. Die Lebewesen sind resistent. Das Biozid hilft nicht mehr.

Gleiches Prinzip, anderes Schutzobjekt: Bestimmte Bakterien können beim Menschen Krankheiten verursachen. Oft geht man mit Antibiotika gegen sie vor. Auch krank machende Bakterien passen sich veränderten Lebensbedingungen an und können resistent werden. Dann wirken die Antibiotika nicht mehr. Die gefährlichen „Krankenhauskeime“ sind ein Beispiel dafür.

Holzbank im Grünen

Viele Holzschutzmittel enthalten Biozide, die oft mit der Zeit auswaschen. Dadurch können sich bei bestimmten, im Boden lebenden Mikroorganismen, Resistenzen bilden.

Quelle: BAM

Biozide sind chemische oder biologische Substanzen und Produkte, die dazu eingesetzt werden sollen, Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken oder unschädlich zu machen. Dazu gehören Mückensprays (Repellentien), Rattengift, das Chlor im Wasser des Badebeckens, aber auch Desinfektionsmittel und Materialschutzmittel, wie z.B. Holzschutzmittel. Die Marktzulassung von Bioziden wird in der EU durch die EU Biozidverordnung geregelt. Darin werden die Biozide von den Pflanzenschutzmitteln und den Arzneimitteln abgegrenzt, die zum Teil dieselben Zielorganismen wie Biozide haben, aber eine andere, historisch gewachsene, besondere Anwendung darstellen.

Resistenz ist ein biologisches Phänomen, welches es Organismen einer Art erlaubt, in der Gegenwart von sehr hohen Konzentrationen eines Wirkstoffes zu wachsen, die sonst für den Rest der Art das Wachstum hemmen würde. Solche Resistenzen können auch gegen Biozide vorkommen, dann nennt man sie Biozidresistenzen. Resistenzen entstehen immer dann, wenn Organismen zu niedrigen Dosen einer toxischen Substanz über längere Zeiträume ausgesetzt sind, so dass die Organismen sich zwar noch vermehren können, aber dabei schon beeinträchtigt sind. In solch einer Situation haben Individuen einen starken Wachstumsvorteil, wenn sich ihr Erbgut dahingehend verändert, die schädlichen Auswirkungen der Substanz zu umgehen.

Kreuzresistenz beschreibt ein biologisches Phänomen, bei dem ein Organismus gegen zwei oder mehrere toxische Substanzen resistent ist. Dabei wird diese Resistenz von ein und demselben molekularen Mechanismus vermittelt. Beispielsweise haben manche Bakterien molekulare Pumpen, die unterschiedliche Wirkstoffe aus der Zelle ausschleusen können. Die Wirkstoffe werden somit der Zelle nicht mehr gefährlich. Entscheidend ist, dass sich solche Pumpen in den Bakterien in der Gegenwart von nur einer Substanz etablieren können, z.B. in der Gegenwart eines Biozids. Das Bakterium, das über eine solche Pumpe verfügt, wird nun aber auch gegenüber bestimmten Antibiotika resistent.

Es gilt also, die Wirksamkeit von Bioziden und Antibiotika zu erhalten. Auch sollen diese Stoffe nicht unkontrolliert in unsere Umwelt gelangen, denn sonst besteht die Gefahr, dass auch andere, unbeteiligte Organismen niedrigen Dosen dieser Stoffe ausgesetzt werden und ebenfalls Resistenzen entwickeln.

Auf noch kaum bekanntem Terrain forschen Dr. Frank Schreiber und einige seiner Kollegen und Kolleginnen aus dem Fachbereich Biologische Materialschädigung und Referenzorganismen. „Einzelne Beispiele aus der Forschung haben gezeigt, dass es zu Kreuzresistenzen zwischen Bioziden und Antibiotika kommen kann. Das weiß man für weit verbreitete Biozide wie zum Beispiel Silber oder den quaternären Ammoniumsubstanzen“, so Frank Schreiber. „Kreuzresistenzen können entstehen, wenn die Bakterien in Gegenwart von Bioziden wachsen und sich anpassen. Diese Anpassung hilft den Bakterien dann auch, sich gegen Antibiotika zu wehren. Wir wollen wissen, ob und in welchen speziellen Kombinationen von Antibiotika und Materialschutzmitteln man antibiotikaresistente Beläge an den Oberflächen bekommt.“

Medizinische Schläuche und Bakterien

Links: Medizinische Schläuche müssen keimfrei sein. Rechts: Bakterien im Biofilm einer Harnleiterschiene

Quelle: Foto links: BAM. Rechts: Imaging and artwork by Matthias T. Buhmann, Empa

Viele Menschen haben in ihrer täglichen Berufspraxis mit genau dieser Problematik zu tun, z. B. Ärzte und das Pflegepersonal in Krankenhäusern. Sie müssen medizinische Oberflächen, Geräte oder auch Implantate desinfizieren, also keimfrei machen, bevor sie diese verwenden. Was aber, wenn das Mittel nur noch schlecht wirkt, da ein Milieu entstanden ist, in dem bestimmte Keime trotzdem wachsen und ihnen weder das Desinfektionsmittel - also das Biozid - noch das dem Menschen verabreichte Antibiotikum etwas anhaben kann? Dann kommt es zu erheblichen Gesundheitsgefahren und nicht zuletzt zu hohen Kosten.

Neben den Wechselwirkungen an der Oberfläche und der Ausbildung von Kreuzresistenzen interessiert Frank Schreiber auch, was passiert, wenn man Biozide auf Oberflächen zyklisch einsetzt, wie es zum Beispiel bei Desinfektionsmitteln aber auch bei Anwendungen in der Industrie oft der Fall ist. „Es wird wiederholt eine hohe Dosis verwendet und dann wieder nicht mehr. Man hat gesehen, dass dieser zyklische Einsatz dazu führen kann, dass Populationen von Mikroorganismen, die diesem Stress ausgesetzt sind, eine ganz besondere Eigenschaft entwickeln. Einzelne Individuen dieser Gesamtheit bekommen eine höhere Stresstoleranz. Sie sind widerstandfähiger als andere und können länger überleben. Dieses Phänomen nennt man Persistenz, und man hat es für Antibiotika schon beschrieben. Die Persistenz ist immer ein erster Schritt zur Resistenzentwicklung. Für Biozide wissen wir das noch nicht“, so Frank Schreiber.

Des Weiteren forscht das Team an den Entstehungs- und Verbreitungsmöglichkeiten von Biozidresistenzen in der Umwelt. "Wir interessieren uns dafür, wie sich Biozide, die von Materialien in den Boden ausgewaschen werden, auf die Verbreitung von Resistenzen zwischen verschiedenen Bakterien auswirken“, so Frank Schreiber.

Der Gesetzgeber hat die Verwendung der gefährlichen Substanzen in unterschiedlichen Regelwerken festlegt. Ein und derselbe Wirkstoff kann als Biozid, als Pflanzenschutzmittel oder als Arzneimittel zugelassen sein, je nachdem, für welche Verwendung er vorgesehen ist. Die Produktzuordnungen machen den Unterschied. Biozide werden für Deutschland von der Bundesstelle für Chemikalien (BfC) zugelassen. Experten der BAM und aus anderen Bundesbehörden unterstützen dabei mit fachlichen Stellungnahmen. Die EU-Biozidprodukte-Verordnung sieht eine umfassende Bewertung der Resistenz und Kreuzresistenzentwicklung von Bioziden während des Zulassungsprozesses vor. Zur besseren Abstimmung haben die verantwortlichen Zulassungsbehörden unter Federführung der BAM nun den Arbeitskreis Biozidresistenz gegründet. Das Ziel ist die sichere Verwendung von Bioziden und der Erhalt biozider Wirkstoffe zum Schutz der menschlichen Gesundheit und unserer Infrastruktur.