Blick in den Drehrohrofen

Im Drehrohrofen werden bei bis zu 1000 Grad Celsius Schadstoffe aus Klärschlammasche abgetrennt.

Quelle: BAM

„Phosphate sind für alle Lebewesen überlebenswichtig und können in ihren Funktionen durch keine andere Substanz ersetzt werden“, erläutert Dr. Christian Adam. Pflanzen wachsen besser, wenn der Boden ausreichend mit diesem Nährstoff versorgt wird. Andererseits können Phosphate die Gewässer belasten und sammeln sich im Klärschlamm aus der Abwasserreinigung. Höchste Zeit, die wertvolle Ressource aus den Rückständen der Kläranlagen zurückzugewinnen. „Die ersten Symposien über den Aufbau einer solchen Kreislauf-Wirtschaft gab es schon in den 1990er-Jahren. Das Thema wurde dann ab dem Jahr 2007 wichtiger, als die Preise für Phosphatgestein auf dem Weltmarkt plötzlich stark anstiegen“, erinnert sich der Leiter des Fachbereichs Thermochemische Reststoffbehandlung und Wertstoffrückgewinnung. Adam erkannte früh das Potenzial des Phosphorrecyclings, daher kann die BAM jetzt ein patentiertes Verfahren anbieten.

Klärschlamm wird zum Rohstoff

Adams Team verwendet dafür die Asche, die bei der bisher üblichen Verbrennung von Klärschlämmen entsteht, und schickt sie zunächst noch einmal bei 1000 Grad Celsius in einen Drehrohrofen. Die Öfen drehen sich ständig und transportieren durch ein leichtes Gefälle die Masse im Inneren langsam durch die lange, heiße Röhre. Diese Hitzebehandlung zerstört Rückstände von Haushaltschemikalien und Arzneimitteln und entfernt giftige Schwermetalle wie Arsen, Cadmium, Quecksilber und Blei, die dann von Filtern aufgefangen werden.

Für den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Düngemittel nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine seit Jahrhunderten bekannte chemische Reaktion. Sie geben Alkalien, unter anderem Soda, zur heißen Asche und erzeugen dadurch Calciumalkaliphosphate. „Das ist ein guter Ausgangsstoff für Düngemittel, denn er ist zu 100 Prozent pflanzenverfügbar, aber kaum wasserlöslich“, erklärt Adam.

Vor allem die Betreiber deutscher Kläranlagen können von dem BAM-Verfahren profitieren, weil ihre Auflagen durch die Änderung der Klärschlammverordnung strenger werden. Jede Kommune muss bis zum Jahr 2023 ein Konzept für das Phosphorrecycling vorlegen. „Wir gewinnen über 90 Prozent des Phosphors, der in die Kläranlage hineingeht, wieder zurück“, berichtet Adam. Damit schneidet das BAM-Verfahren besser ab als andere vergleichbare technische Entwicklungen. Der BAM-Wissenschaftler schätzt, dass pro Jahr 60.000 bis 70.000 Tonnen Phosphor durch deutsche Kläranlagen fließen. „Das recycelte Phosphat entlastet nicht nur die Umwelt, sondern könnte auch etwa ein Viertel des in Deutschland verwendeten Düngers ersetzen.“

Phosphorrückgewinnung

Dr. Christian Adam arbeitet an technischen Lösungen für die Rückgewinnung und Rückführung von Phosphor in den Stoffkreislauf

Quelle: BAM

Die Forscherinnen und Forscher der BAM kooperieren schon seit Jahren mit Industriepartnern, damit ihr Konzept auch im großtechnischen Maßstab funktioniert. Wenn die thermische Verwertung in den Alltagsbetrieb übergeht, könnten die Anlagen bis zu 100 Meter lang sein. Geplant ist der Einsatz von großen Drehrohröfen, wie sie bei der Zementherstellung üblich sind. „Das Verfahren wird umso wirtschaftlicher, je größer die Anlagen werden“, sagt Adam. Die Veredlung der Klärschlammasche könne in Deutschland in ein bis zwei Jahren beginnen, schätzt der Experte.

Auf dem Weg zum „Dünger der Zukunft“ Für Christian Adam besitzt der neue Dünger noch mehr Potenzial. „Das Phosphorrecycling sollte im Kontext mit weiteren Nährstoffen wie Stickstoff und Kalium betrachtet werden.“ Diese Zusätze verändern die Bioverfügbarkeit des Düngers. Viele herkömmliche Produkte liefern Phosphat in den ersten Wochen, wenn die Pflanze noch jung ist. Der Dünger der Zukunft stellt das Phosphat synchron zum Bedarf der Pflanze bereit und liefert auch noch genug Nachschub, wenn die Pflanze ihre stärkste Wachstumsphase erlebt.

In Australien testet die BAM bereits den Einsatz ihres neuartigen Düngers auf den Feldern und auch brasilianische Landwirte experimentieren damit, beispielsweise beim Zuckerrohranbau. Dabei werden die Felder meistens nur alle fünf Jahre gedüngt, und zwar dann, wenn die Zuckerrohrpflanzen auf dem Acker getauscht werden. „Die Landwirte düngen quasi auf Vorrat, deshalb ist es besonders wichtig, dass die Phosphate den Pflanzen nach Bedarf zur Verfügung stehen und nicht frühzeitig vom Regen ausgewaschen werden“, erklärt Adam.

Doppelter Vorteil: Schutz von Ökosystemen und wirtschaftliche Unabhängigkeit

Das BAM-Verfahren zum Phosphorrecycling stößt auch international auf großes Interesse, unter anderem weil es die Unabhängigkeit von den Produzenten aus Marokko und der West-Sahara erhöht. In dieser Region lagern mehr als 70 Prozent der globalen Phosphatgestein-Reserven. Die Aufarbeitung des Gesteins führt in den Abbauländern zu erheblichen Umweltschäden. Zudem sind die natürlichen Phosphatgesteine teilweise mit den giftigen Schwermetallen Cadmium, Uran und Thorium belastet, die durch den Einsatz des Düngers auch das Grundwasser erreichen können. „Diese Probleme hat man lange ignoriert“, blickt Adam kritisch zurück.

Herkömmlicher Phosphatdünger kann zudem zur Gefahr für empfindliche Ökosysteme werden. Der wasserlösliche Dünger gelangt durch den Regen ins Grundwasser oder landet über Flüsse und Seen schließlich im Meer. Ein Überangebot an Nährstoffen zeigt sich oft in einer Algenplage. Forscherinnen und Forscher aus Australien haben entdeckt, dass ein steigender Phosphatgehalt im Meerwasser neben dem Klimawandel zu den wesentlichen Bedrohungen des größten Korallenriffs der Erde, dem Great Barrier Reef, zählt. Die Universität Queensland in Brisbane entwickelt deshalb alternative Strategien für die Düngung in der Landwirtschaft. „Unsere thermisch behandelte Klärschlammasche passt sehr gut in dieses Konzept“, berichtet Adam.