Jörg Radnik measures the composition of graphene layers.

Für die industrielle Anwendung ist die exakte Charakterisierung eines Nanomaterials entscheidend. Jörg Radnik misst die Zusammensetzung von Graphenschichten mit verschiedenen Methoden.

Quelle: BAM

Sichere Standards für industrielle Anwendungen von Graphen

Graphen ist ein Nanomaterial mit großem Potenzial. Noch bleiben viele Chancen ungenutzt. Jörg Radnik entwickelt neue Standards zur Charakterisierung, um das Material schneller in die industrielle Anwendung zu bringen.

Graphen gilt als Nanomaterial der Zukunft. Es besteht aus einer Struktur bienenwabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome. Sie machen es zum dünnsten zweidimensionalen Material der Welt. Graphen ist zudem stärker als Stahl, kann Strom und Wärme leiten, es ist chemisch leicht zu modifizieren und besitzt einzigartige optische Eigenschaften. Aufgrund dieser Qualitäten könnte Graphen in vielen Industriebereichen eingesetzt werden – von Antrieb-Akkus für Elektroautos über Mikrochips und Solarzellen bis hin zur Virenbekämpfung in der Medizin.

Viele Potenziale bislang ungenutzt

Eine kommerzielle Nutzung von Graphen ist bislang aber noch schwierig, da keine standardisierten Verfahren zur zuverlässigen Bestimmung seiner Zusammensetzung und Struktur existieren. „Unterschiedliche Verfahren erzeugen auch unterschiedliche Ergebnisse. Unternehmen können daher nicht sicher sein, ob ihre Produkte wirklich den gewünschten Anforderungen entsprechen“, erklärt Jörg Radnik, Chemiker an der BAM. „Das bedeutet ein unkalkulierbares technisches, aber auch ökonomisches Risiko. Daher verzichten viele Unternehmen noch auf die Anwendung von Graphen und dessen vielfältige Potenziale bleiben ungenutzt.“

Die BAM besitzt seit fast einem Jahrzehnt Erfahrung mit Graphen, das erstmals 2004 von Forscher*innen als stabiler zweidimensionaler Werkstoff beschrieben wurde. Sie entwickelt zusammen mit neun europäischen Partnereinrichtungen aus Industrie und Wissenschaft ein Verfahren, mit dem sich sowohl reines als auch chemisch verändertes Graphen zuverlässig charakterisieren lassen. Dabei kann die BAM auch auf ihre langjährige Expertise auf dem Gebiet der chemischen Analytik von Nanomaterialien mit oberflächenempfindlichen Verfahren und der Elektronenmikroskopie zurückgreifen.

Verfahren werden weltweit validiert

Graphen wird von den herstellenden Unternehmen in Flocken geliefert. Jörg Radnik und sein Team wollen standardisierte Verfahren für die exakte Messung der lateralen und vertikalen Größe dieser Flocken entwickeln. Dabei gilt es zu bestimmen, wie viele Schichten des Nanomaterials vorhanden sind und ob sich die Größenverteilung der Flocken bei jeder Lieferung oder von Behälter zu Behälter einer Charge verändert. Mittels chemischer Analyse muss dann die Menge anderer Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff oder Fluor ermittelt werden, da diese die Eigenschaften von Graphen wesentlich beeinflussen, etwa die Wechselwirkung mit der Umgebung, die Leitfähigkeit von Strom und Wärme oder die optischen Qualitäten.

Schließlich werden 2022 unter Leitung der BAM zwei Ringversuche mit rund 20 Laboren starten, um die neuen Verfahren in einem weltweiten Test zu validieren und zu Standards weiterzuentwickeln. „Indem wir standardisierte Charakterisierungsverfahren für Graphen etablieren, unterstützen wir die Industrie ganz entscheidend dabei, Innovationen schneller vom Labor in die Großproduktion zu bringen“, so Jörg Radnik. „Zugleich schaffen wir Vertrauen in die Qualität und Sicherheit des Materials – ein Aspekt, der nicht zuletzt über die Marktchancen von Graphen entscheiden wird.“

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