
Arbeiten mit Transportbeton auf einer Baustelle in Tansania: Häufig werden die einzelnen Komponenten des Betons erst vor Ort gemischt.
Quelle: BAM, Fachbereich Baustofftechnologie
Afrikas aufstrebende Bauwirtschaft kann zum weltweiten Vorbild für nachhaltiges Bauen werden. Die BAM entwickelt gemeinsam mit ihren Partnern vor Ort einen Bio-Beton, für den sogar Abfälle aus der Landwirtschaft verwendet werden können. Das Interesse ist riesig: Auf Afrikas Baustellen wird schon heute so viel Beton verbaut wie in Europa – und der Bedarf wird wachsen.
Bei jedem Besuch eines afrikanischen Landes erlebt Dr. Wolfram Schmidt aus dem Fachbereich Baustofftechnologie der BAM, wie sich die Skylines und die Straßen der Großstädte verändern. Die Wirtschaft boomt in vielen Ländern des Kontinents. „Es gibt dort viele Bauprojekte und als Konsequenz wächst der Bedarf an Beton rasant“, berichtet der Wissenschaftler. Schmidt ist häufig auf Forschungsreisen und Konferenzen in Südafrika, Nigeria, Tansania, Ghana und Kenia unterwegs. Die BAM koordiniert auf dem Kontinent zahlreiche Projekte zum Thema Bio-Beton. Schmidt ist überzeugt: „Afrika könnte uns allen zeigen, wie man nachhaltiger baut.“
Nachhaltiger – das bedeutet in diesem Fall geringere CO2-Emissionen und die Verwendung von lokalen und nachwachsenden Rohstoffen. Denn Beton benötigt als Bindemittel erhebliche Mengen an Zement, bei dessen Produktion sehr große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid entstehen. „Beton ist eines der am häufigsten benutzten Güter auf Erden, wenn es uns gelingt, bei der Herstellung auch nur wenige Prozent CO2 einzusparen, bringt das einen beachtlichen Effekt im Kampf gegen den Klimawandel“, sagt Schmidt.
Passende Konzepte für Afrika
Eine Option nachhaltigen Beton zu entwickeln, besteht darin, den Zementanteil zu verringern und stattdessen Substanzen mit ähnlichen Eigenschaften in den Baustoff zu mischen. Flugaschen aus der Steinkohlenverbrennung und Hüttensande aus der Eisenerzgewinnung werden dafür bereits weltweit eingesetzt. Aber in Afrika gibt es beides nicht. „Wir müssen nach passenden lokalen Alternativen schauen, statt Hüttensand aus Asien nach Ostafrika zu verschiffen, so wie es derzeit geschieht“, erklärt Schmidt.
Die Lösungen, die die BAM mit ihren afrikanischen Forschungspartnern entwickelt, berücksichtigen daher immer die regionalen Gegebenheiten. „Bei einem Projekt in Nigeria verwenden wir die Schalen der Wurzeln der Cassava-Pflanze, die in Westafrika sehr häufig angebaut wird“, erzählt Schmidt. Die Cassava ernährt weltweit eine halbe Milliarde Menschen, ihre Wurzeln sind bei uns als Maniok bekannt. „Die Schalen sind in Nigeria ein echtes Umweltproblem“, erläutert Schmidt. „Sie werden auf Halden abgelagert, ziehen Insekten an, entwickeln einen unangenehmen Geruch und können das Grundwasser verschmutzen.“
Pflanzenbestandteile verbessern Beton
Die BAM kooperiert in Nigeria mit Kolawole Adisa Olonade, Professor an der Universität in Lagos, der bereits seit einigen Jahren an der Verwertung der Cassava-Schalen durch Verbrennung forscht. „Die Asche enthält große Anteile an Siliziumdioxid und Aluminiumoxid und eignet sich damit gut als Zementersatz im Beton“, sagt Schmidt.
Zusammen mit Olonade wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der BAM ermitteln, wie die Asche als Zementersatz den Beton verändert. Sie untersuchen dazu die Verarbeitungsmöglichkeiten und den Einfluss des Cassava-Zusatzes auf die Konsistenz, die Druckfestigkeit, die Rissneigung und die Dauerhaftigkeit des Betons. „Um das gesamte Potenzial des Bio-Betons zu bewerten, benötigen wir eine fundierte Basis“, erklärt Schmidt. „Wenn wir den Verbrennungsprozess richtig steuern, kann Cassava als Betonbestandteil sogar besser abschneiden als der klassische Portlandzement.“
Noch bevor die Schalen in den Ofen kommen, werden sie bei etwa 70 Grad Celsius ausgekocht, um die anhaftende Stärke zu gewinnen. Diese verbessert die Verarbeitungseigenschaften von Beton und sorgt dafür, dass das Wasser beim Erhärten langsamer verdunstet - ein willkommener Effekt im heißen Afrika. Einen anderen Forschungsaspekt beschreibt Schmidt so: „In Afrika werden auch beim Bau von mehrgeschossigen Gebäuden die einzelnen Komponenten oft in Säcken oder als Schüttgut zur Baustelle geliefert, gelagert und erst dort gemischt, so dass die Qualität des Betons viel stärker von äußeren Faktoren abhängt als bei uns.“
Regionale Netzwerke schaffen
Zusammen mit Forscherinnen und Forschern der Universität Lagos unter Leitung von Olonade untersucht Schmidt derzeit, wie Entscheidungsträger und die regionale Wirtschaft eingebunden werden können. Sie befragen dabei auch die lokalen Farmer. „Gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort können wir vielleicht einen Funken entzünden“, sagt Schmidt. „Es ist uns wichtig, den lokalen Marktteilnehmern glaubhaft aufzuführen, wie aus der Reststoffverwertung regionale, neue Wertschöpfungsketten entstehen können.“
Um nachhaltige Bautechniken im großen Maßstab einzusetzen, benötigen die Länder Westafrikas industrielle Produktionsprozesse, eine bessere Infrastruktur sowie eine ganz neue Generation von Ingenieuren und Wissenschaftlern. Die BAM entwickelt mit ihren Partnern in Nigeria, Kamerun, Kenia und Südafrika neue Methoden zur Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren für zukünftiges Bauen mit nachhaltigen Materialien.
Die Forschung zum Bio-Beton wurde 2018 mit dem deutsch-afrikanischen Innovationspreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ausgezeichnet. Mit dem Geld soll das erste Gebäude aus Cassava-Beton errichtet werden: Ein Wartehäuschen auf dem Gelände der Universität in Lagos, das gleichzeitig als Informationszentrum für nachhaltiges Bauen dienen soll.