Flammschutz im Test

Untersuchung von Flammschutzeigenschaften einer Probe

Quelle: BAM, Fachbereich Technische Eigenschaften von Polymerwerkstoffen

Bioabbaubare Werkstoffe und die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen sind aktuell die vorherrschenden Forschungsthemen im Bereich Flammschutz. Ein Kooperationsprojekt der BAM mit einem mexikanischen Forschungsinstitut zeigt, dass natürliche Fasern aus Industrieabfällen in flammgeschützten Biokompositen verwendet werden können.

„Jeder, der sich auskennt, kann aus unserem Material ein gutes Produkt herstellen“, sagt Bernhard Schartel – und meint damit die neuen flammgeschützten Biokomposite, die sein Team zusammen mit dem Center of Applied Innovation in Competitive Technologies (CIATEC) mit Sitz im zentralmexikanischen León entwickelt hat. Die Ergebnisse sind zukunftsweisend, umweltfreundlich und nachhaltig.

Den Begriff „nachhaltig“ prägte schon 1713 der Deutsche Hanns Carl von Carlowitz, als es darum ging, die sächsischen Forstanbauten so zu bewirtschaften, dass auch künftige Generationen ihr Holz daraus würden beziehen und zugleich gute Geschäfte machen können. „Nachhaltigkeit hat mit Ökologie und Ökonomie zu tun“, betont Schartel, der an der BAM den Fachbereich Technische Eigenschaften von Polymerwerkstoffen leitet: „Ich bin davon überzeugt, dass es das richtige Konzept ist.“ Ein Konzept, das verschiedene Faktoren vereint: Klimafreundlichkeit, biologische Abbaubarkeit, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe sowie natürlicher Fasern, die nachhaltig gewonnen werden können durch die Verwertung von Abfall aus Industrieprozessen.

Aus Abfall Gold machen

In Mexiko beispielsweise fallen alljährlich 400 Tonnen Agaven-Fasern bei der Produktion von Tequila an, der aus der Pflanze gebrannt wird. Ob sich dieser Biomüll womöglich für den Flammschutz in innovativen Kunststoffen verwenden ließe, wollte Guadalupe Sánchez-Olivares wissen. Die mexikanische Materialwissenschaftlerin hatte vor gut einem Jahrzehnt, um die Zeit ihrer Promotion, Forschungsaufenthalte in Europa, u.a. auch an der BAM, verbracht. Inzwischen ist sie Mitarbeiterin am CIATEC.

Agaven-Plantage für die Tequila-Produktion in Mexiko

Agaven-Plantage für die Tequila-Produktion in Mexiko

Quelle: iStock.com/camaralenta

Sie kontaktierte Bernhard Schartel mit ihrer Idee und stieß sogleich auf Interesse. Kein Wunder: Die weltweite Vernetzung ist eine Kernkompetenz der BAM. Erfolgreich konnte ein zweijähriges Kooperationsprojekt, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología, der im Auftrag der mexikanischen Regierung international verknüpfte wissenschaftliche Vorhaben unterstützt, eingeworben werden. Ziel: die Erforschung nachhaltiger Füllstoffe und Fasern in Biokompositen, inklusive wirkungsvollem Flammschutz, die beispielsweise für die Gehäuse von Computern oder Monitoren geeignet sein sollten.

Dr. Berhard Schartel (links) mit Dr. Guadalupe Sánchez Olivares (rechts) und CIATEC-General Director Dr. Ricardo Guerra Sánchez (mitte)

Dr. Berhard Schartel (links) mit Dr. Guadalupe Sánchez Olivares (rechts) und CIATEC-General Director Dr. Ricardo Guerra Sánchez (mitte)

Quelle: BAM, Fachbereich Technische Eigenschaften von Polymerwerkstoffen

Die Mischung macht’s

Sánchez-Olivares und das Team um Schartel entwickelten ein Bio-Komposit aus thermoplastischer Stärke, das die Matrix des eigentlichen Werkstoffs bildet. Als Flammschutzmittel dienten Metallhydrate oder Aluminiumdiethylphosphinat, die eine vergleichsweise gute Ökobilanz besitzen. Die Agaven-Fasern – ihr Gewichtsanteil am Kunststoff beträgt etwa 20 bis 30 Prozent – verstärken den Flammschutz. Man benötigt daher auch weniger des eigentlichen Flammschutzmittels, was die Nachhaltigkeit des Kunststoffs weiter erhöht. „Der Flammschutz dieses Kunststoffes ist ausgezeichnet“, sagt Schartel. Ähnlich gut wie die Agaven-Fasern, das zeigten weitere Versuche des Kooperationsprojekts, funktionieren übrigens auch Fasern aus anderen mexikanischen Industrieabfällen, z.B. Keratinfasern, die aus Rinderfell beim Gerben von Leder gewonnen werden sowie Kokosfasern.

Bewährungsprobe am Markt

„Unsere Materialien sind biologisch abbaubar und kompostierbar“, erklärt Schartel, „sie zersetzen sich in einer überschaubaren Zeit.“ Und erfolgreich konkurrieren mit den gängigen technischen Kunststoffen könnten sie auch. Jetzt muss sich nur noch ein Unternehmen finden, das die Forschungsergebnisse aus den BAM- und CIATEC-Laboren zu marktreifen Kunststoffen weiterentwickelt. Erst dann, im Falle eines ökonomischen Erfolgs, wäre Nachhaltigkeit im Sinne des Herrn Carlowitz erfüllt. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Denn, so Schartel: „Der Umstieg auf eine biobasierte Wirtschaft ist ein Trend der Zukunft.“

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