In diesem Kompetenzfeld liegt die Expertise der BAM in der Beantwortung von Fragen zur Eignung von metallischen Werkstoffen, Kunststoffen, Verbundwerkstoffen und Schmierstoffen für neue und bestehende Rohrleitungssysteme, Aggregate und andere Hauptkomponenten für zukünftige Wasserstofftechnologien. Für die meisten der Materialien liegen diese Informationen nicht vor und sie müssen daher durch innovative mechanische Prüfverfahren validiert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Verwendung von Werkstoffen für Rein-Wasserstoff, beispielweise in H2-Tankstellen, sowie die Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Erdgassysteme durch die Entwicklung von neuen und schnellen Prüfmethoden.

Metallische Werkstoffe für sichere Wasserstofftechnologien

Die Produktion, Speicherung und der Transport von Wasserstoff als zukünftigem Energieträger stellen hohe Anforderungen an die eingesetzten Werkstoffe und setzen eine sorgfältige Verarbeitung voraus.

Dem Einsatz von Wasserstoff als Energieträger sollten negative Auswirkungen auf einige Werkstoffe nicht entgegenstehen. Phänomenologisch sind diese Auswirkungen abhängig von der lokalen mechanischen Beanspruchung, der vorliegenden Mikrostruktur und der Höhe der Wasserstoffkonzentration. Die BAM beschäftigt sich sowohl mit den Phänomenen der Werkstoffschädigung durch Wasserstoff als auch mit den entsprechenden Mechanismen, um Möglichkeiten und Einsatzgrenzen für die jeweiligen Komponenten zu identifizieren. Insbesondere eine unerwartete und spröde wasserstoffunterstützte Rissbildung und damit verbundene Sicherheitsrisiken sollen so weitestgehend ausgeschlossen werden.

Ob die für ein bestimmtes Gefüge risskritische Wasserstoffkonzentration erreicht wird, ist davon abhängig, wieviel unter den diversen Herstellungs- oder Betriebsbedingungen der Komponenten aufgenommen wird und wie sich der Wasserstoff in dem oft sehr heterogenen Gefüge verteilt. In mehreren Projekten werden in der BAM laufend Werte für die Wasserstoffaufnahme und den Wasserstofftransport in den verschiedensten metallischen Gefügen ermittelt, so auch für die Werkstoffe für Wasserstofftechnologien. Diese Werte finden unter anderem Eingang in numerische Simulationen der Wasserstoffverteilung und -rissbildung in heterogenen Mikrostrukturen.

Für die Untersuchungen stehen Analysatoren auf Basis der Trägergas-Heißextraktion (TGHE) zur Verfügung. Diese Technik hat ihren Ursprung in der Schweißtechnik, wo sie Eingang in die Normung (ISO 3690) gefunden hat. Die Erweiterung um ein Massenspektrometer ermöglicht die noch präzisere Bestimmung von Wasserstoffdiffusion und -konzentrationen im ppb- und ppm-Bereich im Temperaturintervall von 20 °C bis 950 °C. Neben der chemischen Zusammensetzung spielt auch die Mikrostruktur eine entscheidende Rolle. Mithilfe der thermischen Gefügesimulation kann diese gezielt abgebildet werden. So können unterschiedliche Mikrostrukturen, wie sie beispielsweise in Schweißnähten vorkommen, untersucht werden.

Die Kombination der von thermischen Gefügesimulation und der Trägergas-Heißextraktion ermöglicht die Untersuchung des Wasserstofftransportverhaltens in den unterschiedlichsten metallischen Werkstoffen. Diese auf vorliegenden Erfahrungen zur wasserstoffunterstützten Risskorrosion und Kaltrissbildung aufbauenden Untersuchungen gewinnen für die neuen Wasserstofftechnologien, vor allem im Bereich von Hochdruckanwendungen und Power-to-Gas, an Bedeutung.

Die Degradation der mechanischen Werkstoffeigenschaften durch Wasserstoff äußert sich überwiegend in einer reduzierten Duktilität, was manchmal als Wasserstoffversprödung (Hydrogen Embrittlement) bezeichnet wird. Bei sehr hohen Konzentrationen kann auch die Festigkeit der Werkstoffe beeinträchtigt sein. Je nach Art und Richtung der mechanischen Beanspruchung kann es zu spröden Werkstofftrennungen kommen, die als wasserstoffunterstützte Rissbildung bezeichnet werden.

Durch die Entwicklung der Hohlprobentechnik können hierzu in-situ Zugversuchen bei geringen Dehnraten die entsprechenden Werkstoffe bzw. Mikrostrukturen unter dem Einfluss verschiedener Umgebungsmedien untersucht werden. So kann beispielsweise die gefügespezifische Empfindlichkeit in Form der abnehmenden Duktilität ermittelt werden. Als Umgebungsmedien kommen neben reinem Wasserstoff in unterschiedlichen Druckstufen (bis 1000 bar) auch Gasgemische von Wasserstoff und Erdgas bzw. Methan in Frage. Ergänzt wird das Prüfspektrum durch die Möglichkeit einer Probentemperierung, sodass eine weite Bandbreite von möglichen Einsatzbedingungen im Feld durch die vorhandene Prüfinfrastruktur abgebildet werden kann. Die Charakterisierung der Bruchfläche erfolgt durch die Anwendung taktiler, lichtoptischer sowie elektronenmikroskopischer Methoden einschließlich der Charakterisierung des Gefüges durch Elektronenrückstreubeugung (EBSD). Damit können wasserstoffabhängige Risskriterien ermittelt werden, die in entsprechende Simulationen zur Rissinitiierung und zum Risswachstum Eingang finden.

Kunststoffe und Verbundwerkstoffe für sichere Wasserstofftechnologien

Wasserstoff hat zukünftig nicht nur große Bedeutung als Energieträger, sondern auch als Speichermedium für Energie aus erneuerbarem Strom aus Wind, Sonne und Geothermie. Voraussetzung dafür ist die sichere Speicherung des Gases, die unter hohem Druck oder in flüssiger Form erfolgt. Dabei rücken Polymerwerkstoffe, die bereits jetzt in der Wasserstofftechnologie eingesetzt werden, in den Mittelpunkt des Interesses. An sie stellen sich mit der intensiveren Nutzung auch erhöhte Sicherheitsanforderungen.

Komponenten wie Dichtungen, Kupplungssysteme und durch Reibung beanspruchte Oberflächen sind kritische Teile, die hier besondere Aufmerksamkeit verlangen. Beeinflusst Wasserstoff bzw. Gas-Wasserstoffgemische die Gebrauchstauglichkeit von Polymerwerkstoffen oder Polymer-Matrix-Composites?

Metallische Werkstoffe lassen sich je nach Legierungstyp bleibend mit Wasserstoff beladen und es zeigt sich eine Versprödung mancher Legierungen. Demgegenüber nehmen Polymerwerkstoffe durch ihr freies Volumen und ihr Quellvermögen zwar Wasserstoff in hohem Maß auf, dieser diffundiert jedoch selbst nach wochenlanger H2-Autoklavlagerung von bis zu 1000bar unter Normaldruck schnell wieder heraus. Es zeigen sich nach schnellem Verringern des Drucks Kavitäten und Risse infolge einer „Explosive Decompression“. Insbesondere bei Elastomeren wurden nachhaltige Material-Veränderungen festgestellt. Daher müssen ihre Eigenschaften unter H2-Druckbeanspruchung in situ auf irreversible Alterungserscheinungen in Zugversuchen untersucht werden. Hierzu wurde ein H2-Autoklav von einem BAM-Team entworfen, gefertigt und in eine Zugprüfmaschine integriert. Damit lassen sich Materialversuche an unverstärkten Polymeren unter typischem Druck und Temperaturen der urbanen Gasversorgung durchführen. Für H2-Hochdruckspeicher, die aus endlos-faserverstärkten Kunststoffen (z. B. CFK) hergestellt werden sowie für metallische Werkstoffe befindet sich ein in-situ Prüfsystem in der Entwicklung. Damit lassen sich H2-Drücke bis zu 1000bar und Kräfte von bis zu 150kN realisieren.

Werk- und Schmierstoffe für Reibsysteme in der Wasserstofftechnologie

Der Oberbegriff „Tribologie“ fasst das Gesamtgebiet von Reibung, Verschleiß und Schmierung zusammen. Beispiele für tribologisch beanspruchte Bauteile sind Lager, Kolbenringe, statische und dynamische Dichtungen, Ventilsitze sowie Gelenke. Wasserstoffumgebung stellt besondere Anforderungen an derartige Bauteile. Die BAM verfügt über spezielle Versuchsapparaturen, um Reibungs- und Verschleißkenngrößen in flüssigem und gasförmigem Wasserstoff zu ermitteln. Aktuell werden hauptsächlich polymere Verbundwerkstoffe sowie reibungsmindernde, verschleißbeständige Beschichtungen untersucht. Für die praktische Anwendung lassen sich in denselben Apparaturen aber auch Bauteile wie z. B. Kugellager testen.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass einige Materialien in Wasserstoff, sogar in tiefkalt verflüssigter Form, günstigere Eigenschaften aufweisen als an Luft. Dies sind z. B. einige Hochleistungskunststoffe in reiner Form oder als Komponenten von Verbundwerkstoffen.

Bei Elastomeren werden die Reibeigenschaften insbesondere bei Hochdruckwasserstoff untersucht, wobei sich bereits deutliche Veränderungen zeigten, die insbesondere für den Einsatz in Dichtungen beachtet werden müssen.

Aus dem Bereich der Metalle wurden austenitische Edelstähle untersucht, die standardmäßig für Behälter und Rohrleitungen eingesetzt werden, da sie gegen wasserstoffbedingte Degradation berücksichtig werden. In Reibsystemen wurden jedoch Gefügeumwandlungen nachgewiesen, die dann wieder Rissbildung zur Folge hatten.

Diese Werkstoffe unterliegen wegen ihrer geringen Härte ohnehin hohem Verschleiß, weshalb Verschleißschutzschichten an Bedeutung gewinnen. Hierfür prüft die BAM verschiedene Festschmierstoffe um ihre Eignung für Wasserstofftechnologien. Für die Untersuchungen von Ölen und Fetten wird eine Testapparatur, die einem in der Industrie sehr häufig für solche Untersuchungen eingesetzten Typ entspricht, für Messungen in Wasserstoffumgebung verwendet.

Darüber hinaus werden alternative Beschichtungen erforscht, die teilweise sogar Reibungszahlen und eine Lebensdauer im Bereich von fett- oder ölgeschmierten Systemen erreichen. Das Ziel ist es, einen Kompromiss zu finden, da Wasserstoffanlagen z. B. für Wartungsarbeiten inertisiert werden müssen und dies nicht zum Versagen der Schichten führen darf.