
Eine Lithium-Ionen-Batterie wird getestet
Quelle: BAM
Lithium-Ionen-Akkus sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Aufgrund ihrer hohen Energiedichte können sie sich jedoch entzünden und lassen sich dann nur schwer löschen. Um diese und andere Gefahren genauer einzuschätzen, erforscht die BAM erstmals systematisch die Energiespeicher.
Die Bundesregierung hat die Batterietechnologie zum Schlüsselelement der Energiewende erklärt. Nicht nur in elektrisch betriebenen Autos, auch in Eigenheimen und Industriebetrieben werden Lithium-Ionen-Akkus bereits als dezentrale Puffer genutzt, um die Energie von Wind- oder Solaranlagen zu speichern. Zur Stabilisierung des Stromnetzes wird es zukünftig einen verstärkten Bedarf an solchen stationären Großspeichern geben.
Risiken beim thermischen Durchgehen
„Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken“, sagt Rico Tschirschwitz. „Aber nur, wenn die Technologie von der breiten Öffentlichkeit als sicher wahrgenommen wird, ist ihr weiterer Ausbau auch von gesellschaftlicher Akzeptanz begleitet sein.“ Der Ingenieur koordiniert an der BAM ein neues Forschungsprojekt, das die Gefahren von Lithium-Ionen-Akkus genauer untersuchen will.

Rico Tschirschwitz untersucht, ob beim Test toxische oder brennbare Gase freigesetzt werden.
Quelle: BAM
Grundsätzlich gilt die Technik als zuverlässig; bereits für den Transport einer Batterie müssen strenge UN-Normen erfüllt werden. Wenn allerdings ein Akku im Betrieb zu heiß wird oder von außen einer mechanischen Beschädigung ausgesetzt ist, kann es zu einem Kurzschluss kommen. Der wiederum vermag ein sogenanntes thermisches Durchgehen auslösen: einen sich selbst verstärkenden Prozess, bei dem immer mehr Wärme produziert wird. Dabei kann der Akku toxische und brennbare Gase freisetzen (z.B. Kohlenmonoxid, verschiedene Kohlenwasserstoffe oder Fluorwasserstoff) und schließlich anfangen zu brennen.
Zahlreiche Zelltypen und komplexe Chemie
Bisher gibt es zahlreiche Einzeluntersuchungen zu dem Thema. Sie beruhen jedoch auf verschiedenen Messmethoden und sind daher nur bedingt miteinander vergleichbar. Systematisch ist das Gefährdungspotenzial von Lithium-Ionen-Akkus bislang noch nicht klassifiziert worden.
„Das liegt auch daran, dass es sehr viele unterschiedliche Batterietypen gibt“, erklärt Rico Tschirschwitz. „Eine Lithiumbatterie für Elektro-Autos etwa besteht aus vielen Modulen und die wiederum aus zahlreichen einzelnen Zellen, mit teils über 20 Komponenten. Zudem unterscheiden sich Zellen hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung und Anordnung, der sogenannten Geometrie. In ihnen sind seltene Erden und Metalle, Kunststoffe, Graphit oder Silizium verbaut. All das hat Einfluss auf mögliche Gefahrenszenarien. Schließlich entscheiden auch Größe und Alter eines Akkus darüber, wie leicht er thermisch durchgehen kann, sowie die Frage, wie viele Ladezyklen er bereits durchlaufen hat.“
Die Vielzahl dieser Faktoren macht eine genaue Aussage über das konkrete Gefährdungspotenzial einer Batterie sehr komplex. Die BAM besitzt jedoch die technische Ausstattung und die wissenschaftliche Expertise, um Akkus umfassend zu testen. Sie prüft bereits jetzt als Bundesoberbehörde, die Behälter, in denen defekte Batterien transportiert werden dürfen, und entscheidet über ihre Zulassung.
Auf dem Testgelände Technische Sicherheit der BAM in Brandenburg wollen Rico Tschirschwitz und seine Kolleg*innen Lithium-Ionen-Akkus in den kommenden Jahren systematisch untersuchen. Sie testen alle Typen, von der Knopfzelle bis zur Autobatterie, die durchaus 800 Kilo wiegen kann.

Ein ausgebranntes elektrisches Skateboard, das spontan Feuer gefangen hat
Quelle: istock/400tmax
In einem tonnenschweren Autoklav, einem gasdicht verschließbaren Druckbehälter, bringen sie die Akkus durch Zuführung von Wärme oder mittels Überladung gezielt zum thermischen Durchgehen. Anschließend bestimmen und quantifizieren sie die freiwerdenden Gase. Im Fokus steht dabei unter anderem Fluorwasserstoff, aus dem sich Flusssäure bilden kann. In einem realen Unfallgeschehen kann die extrem ätzende Substanz vor allem für Rettungskräfte zur Gefahr werden. Mit drei unterschiedlichen Verfahren messen sie die freigesetzte Wärmeenergie. Die Tests an kleineren Akkus sollen in den Aufbau eines Großversuchsstandes einfließen, an dem auch große Autobatterien untersucht werden können.
In Reihenuntersuchungen sollen schließlich sämtliche Batterietypen in unterschiedlichen Ladezuständen getestet werden. In Zusammenarbeit mit MEET (Münster Electrochemical Energy Technology), dem Batterieforschungszentrum der Universität Münster, werden die Forschungen bis auf die Nano-Ebene eines Akkus vorangetrieben.
Hinweise für Brandschutz und Recycling
Aus all diesen Test sollen schließlich Parameter zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials eines Akkus ableitet werden. „Wir wollen Hinweise geben für den baulichen Brandschutz in Eigenheimen, in denen dezentrale Energiespeicher stehen“, sagt Rico Tschirschwitz. „Den herstellenden Unternehmen wollen wir Empfehlungen geben, wie Akkus durch konstruktive Maßnahmen zu ertüchtigen sind. So können wir als BAM dazu beitragen, dass Unfälle mit Batterien möglichst vermieden werden oder ihre Auswirkungen auf ein unbedenkliches Maß reduziert werden können. Feuerwehren und Rettungskräften möchten wir Handlungsoptionen aufzeigen, was zu tun ist, wenn ein Elektroauto auf der Autobahn oder in einer Tiefgarage in Brand gerät. Recycling-Unternehmen möchten wir beraten beim sicheren Umgang mit alten Akkus.“
Und schließlich werden die Ergebnisse auch über die nationalen und internationalen Gremien, an denen, die BAM beteiligt ist, in Normen und Regelsetzungen einfließen. Damit Lithium-Ionen-Akkus in Zukunft noch sicherer sind.

Prüfstand auf dem Testgelände Technische Sicherheit der BAM in Brandenburg
Quelle: BAM