
Ein neuer Schnelltest kann die Belastung eines Gewässers mit Öl aufdecken
Quelle: BAM
Umweltanalytik muss häufig an Orten stattfinden, die weit von einem gut ausgerüsteten Labor entfernt sind. Die BAM entwickelt deshalb mobile Messverfahren, die fast überall angewendet werden können. Damit kann nicht nur die Belastung eines Gewässers mit Öl ermittelt werden. Der Sensor entdeckt auch verdünnte Treibstoffe wie Benzin oder Diesel an der Tankstelle. Für die Messungen benötigt man nicht viel mehr als ein modernes Smartphone.
Dr. Jérémy Bell kennt die Probleme bei der Auswertung von Umweltverschmutzungen gut. „Ölverschmutzungen werden häufig an Orten entdeckt, an denen die nötige Analysetechnik nicht zur Verfügung steht. Deshalb haben wir einen zuverlässigen Test entwickelt, mit dem sich das Ausmaß der Ölverschmutzung sofort vor Ort abschätzen lässt“, erklärt der Wissenschaftler aus dem Fachbereich Chemische und optische Sensorik. Während übliche Schnelltests oft nicht viel mehr können, als Öl in Wasser nachzuweisen, liefert die neue Methode der BAM gleich an Ort und Stelle einen konkreten Messwert zur Belastung des Gewässers. Die Testausrüstung ist simpel: ein Gefäß, ein paar Papierstreifen und ein Smartphone mit einem speziellen Aufsatz.
Analytik für jedermann
„Wir nutzen das Handy, um die Menge des Öls im Wasser zu bestimmen“, erklärt Bell. Damit das Smartphone für chemische Analysen genutzt werden kann, muss ein faustgroßer Aufsatz über die Kamera des Telefons gestülpt oder ein kleines Mikro-Spektrometer angeschlossen werden. „Die Messung selbst ist kinderleicht“, sagt Bell. Dazu entnimmt er mit einem Gefäß eine Wasserprobe aus dem Bach oder See, gibt wenigen Mikroliter einer Flüssigkeit hinzu, die das Öl extrahiert und schüttelt eine Minute. Dann steckt er einen Teststreifen aus Papier hinein. Den Papierstreifen aus dem Gefäß schiebt Bell in den Mess-Aufsatz und startet eine App auf dem Handy. Die eigens entwickelte App empfängt die Daten via Bluetooth oder direkt von der Kamera und verwandelt sie in einen Messwert, der auf dem Display angezeigt wird. „Es war unser Ziel, einen günstigen Schnelltest zu entwickeln, für dessen Verwendung kein spezielles Fachwissen benötigt wird“, erklärt Bell. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ausdrücklich zur Entwicklung von Schnelltests aufgerufen, um damit die Umweltanalytik gerade in den ärmeren Ländern der Welt zu verbessern.

Teststreifen können über ein Mikro-Spektrometer verbunden mit einem Tablet und einer von BAM-Mitarbeiter Aris Gkertsos entwickelten Software sofort analysiert werden.
Quelle: BAM
Bei der Entwicklung und Validierung der Messmethode arbeitete Bells Team eng mit dem Fachbereich Sensorik, Mess- und Prüftechnische Verfahren und dem IT-Support der BAM zusammen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben trotz der ganz unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung im Projekt sofort zusammengefunden“, berichtet Bell. Die jeweiligen Teams hätten sofort ein anwendungsnahes Produkt entwickelt, dessen Handhabung einfach und sicher sei.
Erste praktische Versuche haben Bell und seine Kollegen bereits durchgeführt. „Wir haben die Ölverschmutzung im Wannsee, in der Havel und der Spree gemessen und eine gute Übereinstimmung mit den regelmäßigen, offiziellen Messungen der Berliner Wasserwerke gefunden“, berichtet der Forscher über die Ergebnisse einer Messkampagne im Sommer 2018.

Dr. Jeremy Bell (Mitte) hat bei der Entwicklung der Messtechnik eng mit den Sensor-Spezialisten Sergej Johann (links) und Dr. Carlo Tiebe (rechts) zusammengearbeitet.
Quelle: BAM
Ein Detektor, viele Anwendungen
Das an der BAM entwickelte Messprinzip ist nicht nur auf den speziellen Anwendungsfall des Öl-verunreinigten Wassers beschränkt. Denn das entscheidende Know-how steckt im Papierstreifen. Die Oberfläche dieses wasserabweisenden Teststrips kann mit unterschiedlichen Sensoren beschichtet werden. „Wir verwenden für die Sensoren Materialien, die bei Bestrahlung mit Licht ihrerseits ein spezielles Licht ausstrahlen, dessen Intensität und Farbe dann gemessen wird“, erklärt Bell das Messprinzip, das in der Fachwelt Fluoreszenz genannt wird. Wenn das Material, aus dem der Sensor besteht, beispielsweise durch Öl beeinflusst wird, verändern sich Farbe und Helligkeit des ausgestrahlten Lichts. „Diesen Effekt erkennen moderne Handykameras und Mikro-Spektrometer sehr zuverlässig und lassen sich so für unsere Datenauswertung nutzen“, sagt Bell.
Interessant ist das Verfahren auch für die Überprüfung der Qualität von Öl-Produkten, wie Benzin und Diesel. Zum Beispiel, wenn schwefelhaltiges, billiges Kerosin in Diesel gemischt wird. Motoren können dadurch Schaden nehmen und die Umwelt wird belastet. Auf Basis der Fluoreszenz-Technik wurde ein Sensor entwickelt, der die Verfälschung von Brennstoffen sofort erkennt. Dafür wurde das Papier des Teststrips mit einer Substanz beschichtet, die sehr empfindlich darauf reagiert, wie zähflüssig ein Treibstoff ist. Diese Eigenschaft verändert sich fast immer, wenn Kerosin oder Diesel gepanscht werden.
Die Anwender profitieren von dem variablen Konzept. Sie müssen nur einmal den Aufsatz für das Smartphone kaufen und können dann ganz unterschiedliche Messungen machen, je nachdem welchen Teststrip sie verwenden. „Wir wollten ein preisgünstiges System mit einem großen Potenzial entwickeln“, sagt Bell. Externe Partner sollen helfen, den Test auf den Markt zu bringen.