
Röntgen computertomographische 3D Rekonstruktion des Kristallwachstums in Glaskeramik AP40 für Zahnersatz.
Quelle: BAM
Glaskeramiken werden in vielen Bereichen eingesetzt. Jeden Tag kochen wir auf Herdplatten aus Glaskeramik, manchmal bekommen wir sogar Zahnfüllungen aus Glaskeramik. Glaskeramiken sind erstaunliche Materialien, da sie außergewöhnliche mechanische und/ oder thermische Eigenschaften besitzt: Sie sind sehr hart und steif und einige haben praktisch keine Ausdehnung, wenn sie erhitzt werden. Diese Materialien werden durch Wärmebehandlung von Glas hergestellt, so dass es seinen amorphen Charakter verliert und teilweise kristallin wird. Sie sind in der Tat das erste Nanomaterial, das verwendet wurde (lange bevor die Wissenschaft das Wort "Nanomaterialien" entdeckte).
Ab den 70er Jahren wurde in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und später an der BAM ein glaskeramisches Material namens AP40 für Knochenrekonstruktionen und Implantate entwickelt. Dieses Material wurde in großem Umfang klinisch eingesetzt und eingehend untersucht. Obwohl man davon ausging, dass die Bildung des Nanomaterials (Kristallisation des Glases) in der Masse stattfindet, waren die Mechanismen dieser Bildung und die daraus resultierende Mikrostruktur nicht vollständig verstanden.
Mit unserer Studie bringen wir etwas mehr Licht in die Bildung der Mikro- und Nanostruktur (in der wissenschaftlichen Sprache: Kristallisation) der Glaskeramik: Das Endmaterial bildet sich ausgehend von der Masse (im Inneren), so dass die Kristallisation gleichmäßiger über das Volumen verteilt ist. Das ist wichtig, denn eine Massenkristallisation führt zu besseren und homogeneren Eigenschaften einer gesamten Komponente. Um das Problem zu lösen, mussten wir viele verschiedene experimentelle Techniken und Kompetenzen einsetzen. Solche Techniken sind im Grunde nur an der BAM unter einem Dach verfügbar, und tatsächlich waren mehrere BAM-Fachberichen beteiligt. Röntgen-Computertomographie, Refraktionsradiographie und -tomographie, Rasterelektronenmikroskopie, Elementaranalyse und Röntgenbeugung mussten eingesetzt werden, um das Problem zu lösen. Die Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel für Synergie.
Interessanterweise haben wir auch beobachtet, dass eine solche Kristallisation (das Wachstum der kleinen, starken Nanokristalle) nur in einer Phase des Glases stattfindet, das in der Tat zwei verschiedene Phasen enthält, trotz der gleichen ursprünglichen chemischen Zusammensetzung. Eine solche Inhomogenität auf der Mikroskala verleiht dem Material seine eigentümlichen Eigenschaften. Ein solches Verhalten ist zwar auch bei einigen anderen Glaskeramiken zu beobachten, aber ein so tiefes Verständnis dieses "alten Hasen" wurde noch nie erreicht.
Microstructural characterization of AP40 apatite-wollastonite glass-ceramic
Andrea Zocca, Bernd R. Müller, René Laquai, Andreas Kupsch, Frank Wieder, Sigrid Benemann, Janka Wilbig, Jens Günster, Giovanni Bruno
publiziert in:
Ceramics international, Band 49, Ausgabe 8 (2028), Seiten 12672 bis 12679
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