01.07.2022
Links: Oberflächendesinfektion. Grafik: 1000fache Erhöhung von überlebenden Zellen als Anpassung an wiederholt unvollständige Desinfektion

Links: Oberflächendesinfektion. Rechts: 1000fache Erhöhung von überlebenden Zellen als Anpassung an wiederholt unvollständige Desinfektion

Quelle: BAM, Fachbereich Biologische Materialschädigung und Referenzorganismen

Der Anstieg von Resistenzen gegen antimikrobielle Substanzen wie Antibiotika oder Desinfektionsmittel ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Infektionen, die aufgrund von Resistenzen nicht mehr mit Antibiotika behandelbar sind, sind bereits Realität mit weltweit Hunderttausenden von Todesopfern pro Jahr.

Die Entwicklung von Resistenzen wird durch den übermäßigen Einsatz antimikrobieller Substanzen begünstigt. Bakterien evolvieren (d.h. mutieren) unablässig, um sich ihrer Umgebung anzupassen. Konkret heißt das: kommen Bakterien häufig mit antimikrobiellen Substanzen in Kontakt, ist eine Resistenzentwicklung fast unvermeidbar.

Desinfektionsmittel werden zu den Bioziden gezählt und sind essenziell, um die Verbreitung von schädlichen Bakterien (und Viren) einzudämmen. Aufgrund der SARS-CoV2 Pandemie wird angenommen, dass der Verbrauch von Desinfektionsmitteln enorm angestiegen ist. Doch bereits vor der Pandemie war die Menge der verbrauchten Desinfektionsmittel höher als die Menge an Antibiotika. Daher ist anzunehmen, dass der Einsatz von Desinfektionsmitteln eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Verbreitung von Resistenzen spielt.

BAM Forschende haben nun eine Studie in der wissenschaftlichen Zeitung Nature Communications veröffentlicht, in der sie einen neuartigen Adaptionsmechanismus gegen das weitverbreitete Desinfektions- und Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid (BAC) beschreiben. Die Forschenden beobachten, dass ein kleiner Anteil einer Population des Bakteriums E. coli in der Lage ist, einen Desinfektionsvorgang mit BAC viel länger zu überleben als der Großteil der Population. Wiederholt man diesen Vorgang täglich, so steigt der Anteil der länger überlebenden Population innerhalb von 4 Tagen um das Tausendfache an. Somit ermöglicht das Überleben von einem sehr kleinen Teil der Zellen den Fortbestand der gesamten Population und, durch Mutationen, die Anpassung an das Desinfektionsmittel. Am Ende des Experiments hatten die Mutanten die anfälligen Bakterien vollständig verdrängt. Interessanterweise waren die Mutanten auch weniger anfällig für verschiedene Antibiotika.

Die Ergebnisse zeigen, wie der (falsche) Einsatz von Desinfektionsmitteln zu einer Anpassung der Empfindlichkeit von Bakterien gegen Desinfektionsmittel und Antibiotika führen kann. Das Verständnis dieser Vorgänge wiederum liefert Ansatzpunkte, um die Entstehung von Resistenzen zu verhindern oder zumindest zu verringern.

Persistence against benzalkonium chloride promotes rapid evolution of tolerance during periodic disinfection
Nicolas Nordholt, Orestis Kanaris, Selina B.I. Schmidt, Frank Schreiber
erschienen in Nature Communications, Band 12 Heft 1, Seiten 6792 ff., 2021
BAM, Fachbereich Biologische Materialschädigung und Referenzorganismen