
Die Analyse fraktaler Strukturen aus 3D-Höhenprofil einer Polymerbruchfläche ermöglicht Rückschlüsse auf Änderungen lokaler Risswachstumsmechanismen
Quelle: BAM, Fachbereich Polymere Verbundwerkstoffe
Langsames Risswachstum und Spannungsriss sind relevante Schädigungsmechanismen bei Polymerwerkstoffen – besonders Polyethylen. Spannungsriss tritt häufig unerwartet und bereits bei geringer mechanischer Belastung auf und basiert auf einem komplexen Risswachstumsmechanismus, bei dem der Kontakt mit einem Umgebungsmedium mit bestimmten lokalen Spannungszuständen im Material zusammenwirkt. Derartige Spannungszustände entstehen durch lokale Kratzer oder Defekte im Material und kritische Medien sind z.B. wässrige Tensidlösungen. Weltweit werden umfangreiche Tests durchgeführt, um den Einfluss der Polymereigenschaften, wie Molmassenverteilung, Molekülarchitektur und semikristalline Morphologie auf die Beständigkeit gegenüber dieser Art des Risswachstums zu erfassen und Polymerwerkstoffe für entsprechende Anwendungen, vor allem Rohre und Behälter, zu qualifizieren.
Ein wichtiges Werkzeug, zur Evaluierung dieser Laboruntersuchungen, ist die mikroskopische Bruchflächenanalyse. Die Oberflächenstrukturen, die das Risswachstum unter definierten Umgebungsbedingungen auf dem Probekörper hinterlässt, liefern eine Vielzahl von Informationen über zugrundeliegende Prozesse und Mechanismen. Hier wurde diese Bruchflächenanalyse erstmalig über die Routineanwendung hinaus für eine statistische Quantifizierung der spannungsrissbedingten Oberflächenstrukturen eingesetzt. Spannungsriss beinhaltet die Bildung fibrillärer Strukturen, die bei ihrem Versagen zur Rissausbreitung führen. Deren Fragmente auf der Bruchfläche spiegeln lokale Charakteristika, wie Spannungszustände oder Risswachstumsgeschwindigkeiten, wider, die örtlich und zeitlich mit dem Rissfortschritt variieren. Die quantitative Erfassung dieser Topografie basiert auf der Laser-Scanning-Mikroskopie, die ein 3D-Höhenprofil (mit lateraler Auflösung < 70nm) liefert, das auch als Matrix numerischer Werte vorliegt. Dies ermöglicht die Analyse der Höhenfluktuationen in jeweils einer Richtung, die bis zu einer Obergrenze einem Potenzgesetz folgt, das durch einen Rauigkeits- oder Hurst-Exponenten beschrieben wird und damit fraktales oder selbstähnliches Verhalten anzeigt.
Das Mapping dieser gemessenen, ortsaufgelösten Scaling-Exponenten auf die Bruchfläche zeigt auf lokaler Längenskala isotropes Bruchverhalten an, dass sich jedoch auf größerer Längenskala infolge von Änderungen von Spannungszustand und Risswachstumsgeschwindigkeit systematisch verändert.
Dieser Ansatz liefert erstmalig spezifische Charakteristika der untersuchten Bruchfläche, die eine klare Identifikation der jeweils dominanten Mechanismen von lokaler Deformation und Rissbildung erlauben. Dieses verbesserte Verständnis des Bruchverhaltens von Polymeren ermöglicht eine detailliertere Analyse und die Werkstoffoptimierung für Anwendungen in Kontakt mit aggressiven Medien.
Spatially resolved roughness exponent in polymer fracture
Maximilian Thuy, Alexander Spyrantis, Martin Böhning, Ute Niebergall and Robert Maaß
publiziert in:
Physical Review Materials 6, L090601 (2022)
BAM Polymere Verbundwerkstoffe
BAM Technische Eigenschaften von Polymerwerkstoffen