
Wasserstoffdiffusion in einer 60 mm dicken UP-Schweißverbindung: (links) experimentelle Daten der Permeationsexperimente für unterschiedliche Probendicken, (rechts) Querschliff und numerisch simulierte Wasserstoffverteilung
Quelle: BAM, Fachbereich Integrität von Schweißverbindungen
Aufgrund der Notwendigkeit einer beschleunigten Energiewende und der zukünftigen wasserstoffbasierten Energiewirtschaft sind Offshore-Windturbinen (OWT) zur Erzeugung nachhaltigen, grünen Stroms unerlässlich. In diesem Zusammenhang nehmen Größe und Gewicht der neu installierten OWTs kontinuierlich zu. Dies erfordert entsprechende schwere Gründungskonzepte wie Monopiles. Aufgrund der auftretenden hohen mechanischen Belastungen (Wind, Wasserwellen, Generatorgewicht etc.) benötigen die OWTs Grobbleche aus Stählen mit typischerweise bis zu 200 mm Blechdicke. Die hier vorherrschende Fügetechnik ist das Unterpulverschweißverfahren (UP). Gemäß den geltenden Normen für Stahlbau und Schweißtechnik muss der möglichen so genannten verzögerten wasserstoffunterstützten Rissbildung entweder durch eine Mindestwartezeit (MWZ, d.h. bevor eine zerstörungsfreie Prüfung der Schweißverbindung zulässig ist) oder durch ein „Wasserstoff-Freiglühen“ (aus dem engl. - DHT) bzw. "Soaking" vorgebeugt werden. Das DHT wird in der industriellen Praxis typischerweise auch als „Wasserstoff-Reduktionsglühen“ (aus dem engl. - HRHT) bezeichnet und wird bei Temperaturen von 200 bis 300 °C für eine bestimmte Haltezeit in Abhängigkeit von der Blechdicke durchgeführt. Die Wirksamkeit sowohl der MWT als auch des DHT/HRHT kann mit Hilfe von Wasserstoffdiffusionskoeffizienten für die jeweilige Temperatur abgeschätzt werden. Diese Koeffizienten ermöglichen dabei die Berechnung der erforderlichen Wartezeit für MWT oder der Verweilzeit für HRHT. Im vorliegenden Artikel wurden die Koeffizienten (unseres Wissens nach) zum ersten Mal für den Offshorestahl S420G2+M und dessen mehrlagige UP-Verbindung ermittelt. Für die Bestimmung der Diffusionskoeffizienten bei Raumtemperatur wurde die elektrochemische Permeationstechnik (gemäß ISO 17081) verwendet. Zu diesem Zweck wurden der Grundwerkstoff S420G2+M und reine Mehrlagenschweißgutproben untersucht. Die Koeffizienten lagen in einem Bereich von 10-5 bis 10-4 mm2/s. Analytische Berechnungen und begleitende numerische Simulationen zeigten, dass sehr lange MWTs auftreten können, die notwendig wären, um die Wasserstoffkonzentration deutlich zu verringern. Die zusätzliche Schweißgutdiffusion bei erhöhten Temperaturen wurde durch Trägergasheißextraktion/thermische Desorptionsanalyse bestimmt und die zugrunde liegenden Diffusionskoeffizienten im Bereich von 10-3 mm2/s berechnet. Die analytisch berechneten ebenfalls langen HRHT-Verweilzeiten folgen der gleichen Tendenz auch bei erhöhten Temperaturen. In diesem Zusammenhang ist die betrachtete Blech- oder Schweißnahtdicke, d.h. die Diffusionsweglänge, ein wesentlicher Faktor für analytische und numerische Berechnungen. Daher sollte jede Abschätzung von MWT/HRHT über Diffusionskoeffizienten kritisch diskutiert werden, insbesondere wenn die Werte ohne weitere experimentelle Überprüfung aus der Literatur übernommen werden.
Characterization of Hydrogen Diffusion in Offshore Steel S420G2+M Multi-layer Submerged Arc Welded Joint
Michael Rhode, Jonathan Nietzke, Tobias Mente, Tim Richter, Thomas Kannengiesser
veröffentlicht in Journal of Materials Engineering and Performance am 28. Februar 2022
BAM Fachbereich Integrität von Schweißverbindungen