
Direkte Beobachtung des Einflusses von Wasser auf DNA-Strahlenschäden mittels Röntgen-Photoelektronenspektroskopie unter Umgebungsdruck
Quelle: BAM
Eines der Hauptziele der Strahlentherapie ist es, die DNA-Moleküle in Krebszellen zu zerstören. Dabei ist für zukünftige Verbesserungen ein Verständnis der zu Grunde liegenden Prozesse notwendig. Geeignet hierfür sind Untersuchen an vereinfachten Modellsystemen. Ein solches System, bestehend aus DNA, Strahlung und Wasser, kann zur Beantwortung solch offener Fragen verwendet werden. Zwei grundlegende Fragen sind hierbei: „Wie verändert sich die Quantität und Qualität der Strahlenschäden an der DNA bei der Hydratisierung?“ und „Wie ist das Verhältnis von direkten und indirekten Prozessen zur DNA-Schädigung?“ Diese verschiedenen Prozesse sind schwer gleichzeitig zu untersuchen, da es experimentell sehr anspruchsvoll ist, sie parallel zu messen. Direkte Schäden werden durch die Wechselwirkung von hochenergetischen Photonen und sekundären niederenergetischen Elektronen mit der DNA verursacht. Letztere sind bei diesem Prozess zwar reichlich vorhanden, können sich aber in Wasser nicht sehr weit ausbreiten. Daher können sie nur im Vakuum untersucht werden. Andererseits entstehen indirekte Schäden durch Prozesse, an denen Wassermoleküle beteiligt sind, die in klassischen Vakuumexperimenten nicht vorkommen. Um beide Arten von Schäden gleichzeitig untersuchen zu können, muss dieses gegensätzliche Paar - Wasser und Vakuum - zusammengebracht werden. Dies ist seit kurzem durch die Entwicklung der Röntgen-Photoelektronenspektroskopie nahe Normaldruck möglich geworden. Diese Technik erlaubt es uns zum ersten Mal, strahleninduzierte chemische Veränderungen der DNA unter Wasseratmosphäre zu beobachten. Durch diese Experimente in Kombination mit Computersimulationen hatten wir nun die Möglichkeit, direkte und indirekte Schäden auf der Ebene einzelner chemischer Bindungen zu unterscheiden. Die Veränderung dieser chemischen Bindungen steht im Zusammenhang mit verschiedenen Arten von DNA-Schäden, wie z.B. Strangbrüchen oder Schäden an einzelnen DNA-Basen. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Strahlenchemie, Dosimetrie und Medizin, da sie mit programmiertem Zelltod, genomischer Instabilität und Karzinogenese in Verbindung gebracht werden. Unsere Ergebnisse zeigen eine bevorzugte Bildung von DNA-Strangbrüchen durch direkte Effekte unter Vakuumbedingungen. Im Gegensatz dazu wurde bei DNA in Wasser ein dramatischer Anstieg der DNA-Basenschädigung beobachtet. Hier dominierten die indirekten Schäden, vermittelt durch die Wechselwirkung der Strahlung mit Wasser.
Die Möglichkeit, die chemischen Veränderungen und die Schadensbildung unter verschiedenen Hydratationsbedingungen direkt zu beobachten, ist ein großer Schritt für zukünftige Verbesserungen der Strahlentherapie. Dieser neuartige experimentelle Ansatz erlaubt es uns, komplexere biologische Systeme zu untersuchen, in denen andere Biomoleküle wie Proteine und Lipide die normalerweise in Zellen vorhanden sind.
In situ monitoring of the influence of water on DNA radiation damage by near-ambient pressure X-ray photoelectron spectroscopy
Marc Benjamin Hahn, P. M. Dietrich, Jörg Radnik
veröffentlicht in Communications Chemistry, Band 4, Heft 1, Seite 50 ff., 2021
BAM, Abteilung Materialchemie, Fachbereich Oberflächenanalytik und Grenzflächenchemie und Fachbereich Physik und chemische Analytik der Polymere