01.07.2020
Schematische Darstellung des Spaghetti-Modells für das Biegen des Koordinationspolymer-Kristalls

Schematische Darstellung des Spaghetti-Modells für das Biegen des Koordinationspolymer-Kristalls. Beachten Sie, dass jedes Bündel von Strohhalmen ein Cluster von CP-Ketten bedeutet.

Quelle: BAM, Fachbereich Strukturanalytik, Fachbereich Physik und chemische Analytik der Polymere, Fachbereich Prozessanalytik

Einkristalle von Molekülverbindungen sind im Allgemeinen spröde, unelastische Materialien. Die meisten Einkristalldevices (z.B. Leuchtdioden, organische Feldeffekttransistoren, Schaltkreise, Laser oder Wellenleiter) werden aus starren Kristallen hergestellt. Neue Technologien erfordern flexible Bauelemente, aber flexible Kristalle sind selten. Kürzlich wurde gezeigt, dass Molekularkristalle mechanische Flexibilität aufweisen. Diese Materialien versprechen einen neuen Ansatz für fortschrittliche Technologien, auch mit Anwendungen für anpassungsfähige optische, magnetische und leitende Materialien. Auch die Entwicklung künstlicher Muskeln und mechanischer Aktoren ist vorgesehen. Metallorganische Hybridmaterialien mit 1D- oder 2D-Strukturen haben aufgrund ihrer einzigartigen und abstimmbaren elektronischen und magnetischen Eigenschaften ein großes Potenzial für das Design fortschrittlicher Funktionsmaterialien. Die mechanische Flexibilität in Einkristallen dieser Materialien ist jedoch ein schlecht verstandenes Phänomen, das ihre praktische Anwendung in flexiblen intelligenten Geräten der nächsten Generation einschränkt.

Unsere Arbeit beschreibt das erste Beispiel für plastische Flexibilität in verschachtelten 1D-Koordinationspolymer (CP)-Kristallen. Der Kristall von [Zn(μ‐Cl)2(3,5-Cl2Py)2]n ist über zwei kristallographische Flächen flexibel. Die Plastizität in diesen Materialien ist bemerkenswert und widerspricht allen bisherigen Theorien über die mechanische Flexibilität von molekularen Materialien. Um einen Einblick in den Mechanismus der mechanischen Flexibilität in Koordinationspolymerkristallen zu gewinnen, wurde der Kristall in seinem Gleichgewichts- und Biegezustand vollständig charakterisiert, wobei eine Kombination aus experimentellen (Rasterkraftmikroskopie, Mikrofokus-Röntgenbeugung und Terahertz-Zeitbereichsspektroskopie) und theoretischen Ansätzen verwendet wurde.

Die experimentellen Daten legten nahe, dass der CP-Kristall beim Biegen zunächst seine mechanischen Eigenschaften und seine Kristallinität beibehielt. Wenn das Biegen fortgesetzt wurde, ging die Massenordnung weitgehend verloren, und nur kleine kohärente Domänen blieben erhalten. Wie aus spektroskopischen Messungen hervorgeht, akkumulierte sich die Biegespannung nicht innerhalb der CP-Ketten, sondern vielmehr zwischen ihnen. Auf der Grundlage experimenteller und theoretischer Beweise schlugen wir ein neues Modell für mechanische Flexibilität in 1D-Koordinationspolymeren vor: das Spaghetti-Modell. Hier führt die Anfangsspannung zum Gleiten der CP-Ketten senkrecht zur Biegung. Gleichzeitig werden Cluster von CP-Ketten parallel zur Biegung verschoben und verflechten sich. Am interessantesten ist, dass dieses Modell auch die elastische Biegung im Kristall der Koordinationspolymere erklärt. Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse weitere Untersuchungen auf diesem faszinierenden Forschungsgebiet anregen werden.

A Mechanistic Perspective on Plastically Flexible Coordination Polymers
Biswajit Bhattacharya, Adam A. L. Michalchuk, Dorothee Silbernagl, Max Rautenberg, Thomas Schmid, Torvid Feiler, Klaus Reimann, Ahmed Ghalgaoui, Heinz Sturm, Beate Paulus, Franziska Emmerling
erschienen in Angewandte Chemie, Band 59, Heft 14, Seiten 5557-5561
BAM, Abteilung Materialchemie, Fachbereiche Strukturanalytik und Physik und chemische Analytik der Polymere, Fachbereich Prozessanalytik der Abteilung Analytische Chemie; Referenzmaterialien