26.10.2020
Prof. Dr.-Ing. Birgit Skrotzki leitet an der BAM den Fachbereich Experimentelle und modellbasierte Werkstoffmechanik

Quelle: BAM, Bild: Michael Danner

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde (DGM) hat auf ihrer Jahrestagung im September neben Prof. Dr. Martin Heilmaier vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr.-Ing. Birgit Skrotzki als künftige Vize-Präsidentin gewählt. Die Wissenschaftlerin leitet an der BAM den Fachbereich Experimentelle und modellbasierte Werkstoffmechanik, ist auf Hochtemperaturwerkstoffe spezialisiert und hat eine Professur an der Technischen Universität Berlin inne.

Frau Skrotzki, Sie und Ihr Team befassen sich an der BAM mit der experimentellen Ermittlung und der Simulation von Deformations-, Schädigungs- und Versagensverhalten von Werkstoffen. Was genau heißt das?

Wir führen Versuche durch, insbesondere bei hoher Temperatur, und bestimmen damit mechanische Kennwerte für die Bauteilauslegung. Wir schauen uns aber auch das Werkstoffverhalten während des Versuchs an. Das kann z. B. die Beobachtung sein, wie sich die plastische Verformung mit der Zeit in einem Kriechversuch entwickelt oder die Spannungs-Dehnungs-Hysteresekurven mit der Zyklenzahl in einem Ermüdungsversuch. In einigen Versuchen wird auch beobachtet, wie der Riss wächst. Dies lässt bereits Rückschlüsse auf das Schädigungs- und Versagensverhalten zu, also ändert sich das Verhalten während des Versuchs oder nicht, oder bricht die Probe spröde oder eher duktil mit viel Verformung. Das zweite Standbein unseres Fachbereichs ist die Modellierung und Simulation. Es werden phänomenologische und mikromechanische Modelle verwendet, die das beobachtete Verhalten numerisch beschreiben. Diese Modelle verwenden Modellparameter, die mit den experimentellen Ergebnissen kalibriert werden und dann das Verhalten in der Simulation beschreiben können.

Sowohl in den Experimenten als auch in der Simulation werden „komplexe“ Beanspruchungen untersucht. Das bedeutet z. B. eine Kombination von hoher Temperatur und wechselnder mechanischer Belastung, nicht nur einachsig (Zug/Druck), sondern auch mehrachsig (axial-torsional) oder auch in Medien.

Können Sie also die Lebensdauer von Werkstoffen „vorhersagen“?

Wenn Temperaturen und Belastungen in den Bereichen liegen, in denen die Modelle kalibriert wurden, ist das tatsächlich möglich. Die Modelle werden immer mit zusätzlichen Versuchen, mit noch nicht untersuchten Prüfparametern, validiert. Dies erlaubt eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der Vorhersage des Modells. Die Modelle werden in Form von Software an unsere Projektpartner weitergegeben und unterstützen damit auch die industrielle Praxis.

Welches Potential sehen Sie in der Werkstoffmechanik auch im Hinblick auf neue Materialien und Technologien wie die additive Fertigung?

Die Werkstoffmechanik lässt sich auf additiv gefertigte Werkstoffe ebenso anwenden wie auf konventionell gefertigte. Mein Fachbereich ist an dem Projekt AGIL aktiv beteiligt, sowohl mit Experimenten als auch mit Simulationen. Additiv gefertigte Werkstoffe zeigen allerdings häufig eine Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften, das hängt mit dem Fertigungsprozess zusammen. Um dies genauer untersuchen zu können, arbeiten wir derzeit daran, auch kleinere Proben prüfen zu können, die dann in verschiedenen Richtungen der additiv gefertigten Prüfkörper entnommen werden.

Gibt es einen Werkstoff, den Sie als Ingenieurin besonders schätzen?

Ja, das ist das Aluminium und seine Legierungen. Es ist nicht nur leicht, sondern auch vielfältig einsatzbar: von der Alu-Folie bis zum Flugzeug. Mich hat die Metallkunde der Aluminiumlegierungen schon immer fasziniert! Die Vielfalt der Ausscheidungen, die sich in den mittel- und hochfesten Legierungen bilden und die Prozesse ihrer Bildung durch Wärmebehandlung sind sehr spannend.

Über die DGM

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V. engagiert sich für eine kontinuierliche inhaltliche, strukturelle und personelle Weiterentwicklung des Fachgebiets der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik.

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