Manuel Piedade ist Professor für Chemie und Biochemie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lissabon (FCUL). Im Rahmen eines Wissenschafts-Sabbaticals hat er sein Büro für einige Zeit nach Berlin-Adlershof, genauer an die BAM, verlegt. Hier forscht er gemeinsam mit Dr. Franziska Emmerling, Leiterin der Abteilung Analytische Chemie; Referenzmaterialien und ihrem Team an mechanochemischen Synthesemethoden, wie sie zum Beispiel in der Pharmazie bei der Entwicklung von Medikamenten eine Rolle spielen. Und genießt die Ruhe, sich hier ganz auf seine wissenschaftliche Arbeit konzentrieren zu können.
Manuel Piedade, Sie forschen in Lissabon und jetzt auch an der BAM – wie funktioniert das?
Man muss sich das so vorstellen: Die Universität Lissabon ist eine der größten Universitäten in Portugal. An der FCUL streben wir ein forschungsbasiertes Studium an, das unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Gesellschaft trägt. Wissenschafts-Sabbaticals werden besonders gern gesehen, denn sie bieten die Möglichkeit, sich ganz auf Forschung und Entwicklung neuer wissenschaftlicher Projekte und Kooperationen konzentrieren zu können. Ich selbst bin aktuell daran interessiert, zu verstehen, wie sich Moleküle unter verschiedenen Umgebungen und Reizen selbst organisieren, um Festkörper zu erzeugen. Das heißt, mit Methoden zur Erfassung des molekularen Geschehens auf kristallinen Oberflächen. Die BAM hat eine hohe internationale Reputation auf diesem Gebiet. Insbesondere die Gruppe von Dr. Franziska Emmerling bietet eine in fachlicher und technischer Hinsicht optimale Ergänzung für meine Forschung und mein Team in Lissabon. Kennengelernt haben wir uns übrigens im Rahmen eines COST-Projektes (European Cooperation in Science and Technology) – was direkt in eine fruchtbare Zusammenarbeit mündete. Hier an der BAM ein Wissenschafts-Sabbatical zu machen, also eine Art Auszeit von der Lehre zu nehmen – nur für meine Forschung – und mich dazu mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hier auszutauschen, war für mich daher der nächste logische Schritt.
Warum gerade die BAM und was schätzen Sie hier?
Es ist schon ein Luxus, sich für eine Weile einmal nur auf die Forschung konzentrieren zu können. In Lissabon ist mein Arbeitsalltag um einiges hektischer und jeden Tag wartet ein voller Terminkalender auf mich. Ein Balanceakt zwischen Lehre, Management, Bürokratie und Forschung, sozusagen. Umso mehr genieße ich die entspannte Atmosphäre hier und natürlich die hervorragende wissenschaftliche Infrastruktur – die Ausstattung an der BAM selbst aber auch die Vernetzung mit den anderen Instituten hier in Adlershof. Ein Traum für einen Wissenschaftler wie mich! Fachlich arbeite ich eng mit Dr. Franziska Emmerling und ihrem Team zusammen – das ist nicht nur inhaltlich eine wunderbare Symbiose sondern auch menschlich.
Was ist das Ziel Ihrer gemeinsamen Forschung?
Wir haben da ganz vielfältige Ziele. Wir wollen zum Beispiel neue Methoden entwickeln, wie mechanochemische Reaktionen gemessen und gezielt gesteuert werden können. Dabei geht es um das chemische Verhalten von Stoffen unter mechanischer Einwirkung. Die Mechanochemie ist hierbei eine schnelle und gründliche Methode, um Substanzen zu erhalten, die oft nicht mit anderen Methoden hergestellt werden können. Stoffe, wie sie zum Beispiel in der Pharmazie für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden. Wir nutzen dabei eine sogenannte Kugelmühle, die ein bisschen aussieht, wie ein Überraschungs-Ei. Dieses Gerät wurde im Rahmen einiger Doktorarbeiten in der Gruppe von Dr. Franziska Emmerling eingesetzt – unter anderem von Dr. Franziska Fischer, die für ihre Arbeit mit dem Adlershofer Doktorandenpreis ausgezeichnet wurde. Mit dem Gerät wollen wir die Eigenschaften und das Verhalten von Stoffen auf kristalliner und auf molekularer Ebene untersuchen. Wenn wir verstehen, unter welchen Bedingungen und wie sich die Stoffe verändern, und es schaffen, sie zu beeinflussen, können wir zum Beispiel Wirkstoffe in Medikamenten präziser kombinieren. Dazu haben wir bereits zwei Forschungsanträge bei der Foundation for Science and Technology (FCT) Portugal und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht, die beide bewilligt wurden.
Was wünschen Sie sich für Ihre weitere Forschung? Was nehmen Sie mit?
Die begonnene Zusammenarbeit mit dem Adlershofer BAM-Team möchte ich auf jeden Fall fortsetzen! Am liebsten würde ich ja den Adlershofer BAM-Campus mit nach Lissabon nehmen. Zusammen wären wir wahrscheinlich das perfekte Wissenschaftszentrum. Auf der anderen Seite würde mir da dann wohl die Ruhe für die wissenschaftliche Arbeit fehlen. Also lasse ich die BAM doch lieber hier und pendle zwischen beiden Standorten. Aber ich versuche, etwas vom technischen Know-how aus unserer aktuellen Arbeit hier mit nach Lissabon zu nehmen, um unsere Forschung dort voran zu bringen. Und ich hoffe natürlich auch, dass meine Expertise dem BAM-Team den ein oder anderen neuen Impuls geben kann.