Foto von Dr. Anja Waske und Team

Dr. Anja Waske kommt aus dem IFW, einem forschungsstarken Leibniz-Institut auf dem Gebiet der Materialwissenschaft und leitet jetzt den BAM-Fachbereich Radiologische Verfahren. Ihr Ziel: Die zerstörungsfreie Prüfung stärker mit der Materialforschung verknüpfen.

Quelle: BAM

Die Physikerin Dr. Anja Waske ist promovierte Ingenieurin und leitet in der BAM seit Mai 2018 den Fachbereich Radiologische Verfahren. Richtig Feuer gefangen für die Arbeit in der Wissenschaft hat sie nach ihrer Promotion, als sie durch eine Projektstelle die Zusammenarbeit in einem großen wissenschaftlichen Netzwerk kennen und schätzen gelernt hat. Entdeckt hat sie in der Zeit auch ihre Qualitäten als Führungskraft, so dass sie heute mit Blick auf ihren eigenen beruflichen Weg ganz klar sagt: „Frauen, traut Euch“.

Was genau macht Ihr Fachbereich Radiologische Verfahren an der BAM?

Ganz einfach gesagt geht es um 3D-Bildgebung von Materialien. Ich habe eine Probe oder ein Bauteil, von dem ich ein digitales, dreidimensionales Abbild erzeugen möchte. Diesen „digitalen Zwilling“ des realen Objekts kann ich virtuell untersuchen und beispielsweise Defekte darin finden. So einen Datensatz kann ich aber auch nehmen, um zum Beispiel die Wärmeausbreitung in einer Probe simulieren. Und vor allem: Ich kann die Probe danach weiter untersuchen, weil die Röntgenuntersuchung zerstörungsfrei ist. Das ist der Charme an dieser Bildgebungsmethode.

Sie haben am Leibniz Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung, IFW, in Dresden eine klassische physikalische Diplom-Arbeit im Bereich der Tieftemperaturphysik geschrieben. Wie sind Sie Spezialistin für Röntgentomografie geworden?

Nach dem Diplom bin ich in die Ingenieurwissenschaften gewechselt, an die Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden. Der Wechsel in eine andere Disziplin war unglaublich lehrreich. Während Physiker Probleme aufspüren und ausführlich beschreiben, haben Ingenieure schnell eine erste Idee in Richtung Lösung. Das hat mich sehr beeindruckt! Bei meiner Doktorarbeit habe ich die Methode der Röntgentomographie kennengelernt. Wir haben in der Arbeitsgruppe einen Modellfilter untersucht, um herauszufinden wo kleinste Feststoffpartikel aus einer Lösung im Filter abgeschieden werden. Mit der 3D-Bildgebung hat man wie durch Zauberhand die Möglichkeit, sich ein Objekt von innen anzuschauen, ohne es zu zerstören. Das ist für mich auch heute immer noch ein Schlüsselmoment.

Hatten Sie eine wissenschaftliche Karriere geplant?

Nach der Doktorarbeit brauchte ich eine Stelle in Dresden und habe mich erstmal auf eine Projektstelle beworben, wieder beim IFW. Danach wollte ich mir dann einen Job in der Industrie suchen. Aber dann ist etwas Tolles passiert: Ich bin schlagartig in eine sehr dynamische Wissenschafts-Community katapultiert worden und war das erste Mal bei einem Thema, den magnetokalorischen Werkstoffen, ganz vorne mit dabei. Befasst habe ich mich in dem Projekt mit magnetischer Kühlung, also letztlich mit der Frage, wie ein Kühlschrank ganz ohne klimaschädliche Gase, nur mithilfe eines magnetischen Festkörpers, funktionieren kann.

Wie ging es dann für Sie in der Wissenschaft weiter, nachdem Sie Feuer gefangen hatten?

Ich konnte auf ein Riesennetzwerk mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zugreifen, gleichzeitig entstand das Schwerpunktprogramm Ferroic Cooling – da habe ich drei Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland zusammengetrommelt und erfolgreich einen gemeinsamen Antrag bei der DFG gestellt. In dem neuen Projekt habe ich eine Gruppe von Promovierenden und Postdocs gleitet – diese Zusammenarbeit kannte ich aus meiner Doktorandenzeit nicht. Den Austausch mit den jungen Leuten fand ich ungemein inspirierend und das ist auch heute noch so. Das war die Zeit, in der ich entdeckt habe: Ich kann das und es macht mir auch noch Spaß. Nach dem Schwerpunktprogramm stand für mich fest: Ich will in der Wissenschaft bleiben.

Was ist für Sie das Spannende an ihrer neuen Arbeit in der BAM, also in einem Ressortforschungsinstitut?

Schon wenn man durch die Pforte kommt, merkt man, dass die BAM sich den wirklich großen Fragen stellt, die die Gesellschaft umtreibt - das finde ich richtig gut. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind ja immer ein bisschen verliebt in ihre Forschung – das kenne ich ja auch von mir selbst. Aber die Arbeit in einen Kontext einzuordnen, sich zu fragen, wem das dient, gibt der eigenen Forschung einen großen Antrieb. Diesen Gedanken finde ich an der BAM sehr ausgeprägt. Es spiegelt sich sehr gut in den Themenfeldern wieder, beispielsweise „Energie“ und „Infrastruktur“: Welche neuen Materialien brauchen wir? Wem nutzt der von mir entwickelte Sensor? Was müssen wir tun, damit Innovationen aus der Material- und Naturwissenschaft wirklich in der Gesellschaft ankommen?

Wo wollen Sie hin mit Ihrem Fachbereich?

Mein Fachbereich hat eine enorme Kompetenz in der zerstörungsfreien Prüfung und bisher viele Industrieaufträge bearbeitet, beispielsweise wenn Firmen wissen wollen, warum ihre Bauteile bestimmten Belastungen nicht standhalten. Ich komme hingegen aus einem forschungsstarken Institut und mein Fokus liegt auf der Anwendung neuer Materialien. Das kann also eine sehr interessante Mischung werden, zum Beispiel wenn wir uns anschauen: Wie verhält sich ein kleiner Sensor in einem großen Bauteil? Das könnten wir dann als Ganzes hier beantworten.

Wie unterscheidet sich die Leitung eines BAM-Fachbereichs von der Leitung einer Forschungsgruppe am Leibnitz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung?

Im IFW habe ich Promovierende und Postdocs betreut, und fand es sehr schön, deren Entwicklung zu begleiten. Hier in der BAM kann ich mich dagegen auf einen großen Erfahrungsschatz der Kolleginnen und Kollegen stützen, das ist großartig! Aber mit Blick auf eine stärker forschungsorientierte Ausrichtung des Fachbereichs werden wir natürlich auch hier zukünftig wieder mehr Doktorandinnen und Doktoranden beschäftigen.

In der Physik gibt es etwa 15 Prozent Frauen, in den Ingenieurwissenschaften ist der Frauenanteil noch geringer. Was raten Sie jungen Wissenschaftlerinnen in diesen Bereichen?

Man braucht ein dickes Fell und Selbstbewusstsein, um sich durchzusetzen, aber es lohnt sich. Viele der anderen Wissenschaftlerinnen und Frauen in Führungspositionen, die ich nach und nach kennengelernt habe, sind tolle Persönlichkeiten und der Austausch mit ihnen ist ungeheuer bereichernd.

Verantwortung kann man letztlich nur übernehmen, wenn man vorne mitspielt. Und welche Verantwortung könnte schöner sein, als die Welt von morgen mit zu gestalten? Frauen, traut Euch! Eure Talente und Ideen werden gebraucht.

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