Prof. Dr.-Ing. habil. Katharina Löwe

Prof. Dr.-Ing. habil. Katharina Löwe

Quelle: BAM

Zum 01.07.2023 hat Prof. Dr.-Ing. habil. Katharina Löwe die Leitung der Abteilung Chemische Sicherheitstechnik in der BAM übernommen. Die promovierte Ingenieurin war von 2009 bis 2020 Professorin an der TH Brandenburg im Fachgebiet Energie- und Verfahrenstechnik und ist seit 2020 Universitäts­professorin an der Bergischen Universität Wuppertal sowie Leiterin des Fachgebietes Prozess- und Anlagensicherheit. Seit 2014 ist sie außerdem berufenes Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, und nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Im Interview erzählt sie, wie sie Lehre und Forschung an der BAM verbindet, welchen Beitrag Ingenieur*innen für den gesellschaftlichen und sicherheitstechnischen Wandel leisten können und welche Chancen sie dabei sieht.

Herzlich willkommen, Frau Professorin Löwe! Wie sahen Ihre ersten Tage an der BAM aus?

Die ersten Tage waren ganz klar durch Kennenlernen geprägt: Kennenlernen der Fachbereiche, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch der Arbeitsorganisation der BAM. Dies ist ein länger andauernder Prozess und wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen. Ich habe schon die ersten Fachbereiche besucht und verschiedene Gespräche geführt. Dabei habe ich bereits einen guten Eindruck davon erhalten, was für vielfältige, spannende und zukunftsweisende Themen in der Abteilung verankert sind.

Besonders beeindruckt hat mich das extrem hohe Maß an Fachexpertise vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit viel Leidenschaft und Drive ihrer Arbeit nachgehen. Das Kennenlernen ist aber nicht nur einseitig, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mich in der nächsten Zeit näher kennen lernen. Eine neue Abteilungsleitung ist auch immer mit einem Wechsel der Führungskultur verbunden. Ich bin ein Freund der offenen Gesprächskultur und des respektvollen Umgangs miteinander. Meines Erachtens nach stellen die Beschäftigten eine der zentralen Ressourcen eines Unternehmens dar. Die Meinungen und das Feedback der Beschäftigten sind mir wichtig und sollen in zukünftige Erneuerungsprozesse einfließen.

Wie verbinden sich für Sie die beiden Themenbereiche Prozess- und Anlagensicherheit an der Bergischen Universität Wuppertal und Chemische Sicherheitstechnik an der BAM?

Die Themen meines Fachgebietes an der Uni Wuppertal und der Abteilung Chemische Sicherheitstechnik der BAM ergänzen sich in hervorragender Weise. Ziel der Prozess- und Anlagensicherheit ist es, Lösungen für den sicheren, effizienten und wirtschaftlichen Betrieb prozesstechnischer Anlagen zu erarbeiten. Diese Anlagen (bspw. chemische Industrie, Lebensmittelindustrie aber auch Energietechnik) sind durch eine hohe Komplexität, ein hohes Risikopotential sowie einen hohen Energiebedarf gekennzeichnet. Somit sind für die genannten Industriebereiche aktuell und zukünftig die Themen Sicherheit und Nachhaltigkeit von besonderem Interesse.

Die chemische Sicherheitstechnik befasst sich im klassischen Sinn mit dem sicheren Umgang mit gefährlichen Stoffen und stellt damit einen Bereich der Prozess- und Anlagensicherheit dar. Die Prozess- und Anlagensicherheit als Gesamtheit dient der Vermeidung und Beherrschung von Störungen in prozesstechnischen Anlagen sowie der Begrenzung ihrer Folgen und ist durch die ganzheitliche Betrachtungsweise des Gesamtsystems gekennzeichnet.

In Ihrer Arbeit sind Sie mit vielen Facetten von Sicherheit konfrontiert – was bedeutet der Begriff für Sie als Wissenschaftlerin?

Sicherheit ist ein integraler Bestandteil bei der Planung, dem Bau sowie dem Betrieb von Anlagen, wobei sicherheitstechnische Überlegungen einen Entwicklungsprozess von Anfang an begleiten müssen. Um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen Themen wie Nachhaltigkeit und Sicherheit ganzheitlich betrachtet werden, da sie stellenweise im Grundsatz konträre Maßnahmen nach sich ziehen. Dies erfordert nicht nur ein interdisziplinäres Verständnis, sondern auch eine Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen.

Welche Schwerpunkte möchten Sie in Ihrem Themengebiet und mit Ihrem Team an der BAM setzen?

Wir befinden uns in einer Zeit mit schnellen Änderungen und vielfältigen neuen Herausforderungen. So ist z. B. eine Aufgabe der Technik, dem Klimawandel nicht nur entgegenzuwirken, sondern auch Lösungen zur Begrenzung der Auswirkungen zu liefern. Daneben sind Themen wie Energiesicherheit und Security zu nennen, die heute einen deutlich höheren Stellenwert haben, als noch vor ein paar Jahren und wohl zu den gesellschaftlichen Hauptherausforderungen gehören. All diese Themen sind in unterschiedlicher Tiefe und in unterschiedlicher Ausrichtung bereits in der Abteilung vorhanden und werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, wobei gleichzeitig die bereits etablierten Themen gestärkt werden sollen.

Neu aufbauen möchte ich den Bereich Sicherheit in der Prozesstechnik, der einen neuen Schwerpunkt neben den etablierten Themengebieten der Sicherheit von Energieträgern, Einstufung von Gefahrstoffen sowie Explosivstoffe/ Pyrotechnik darstellen wird. Dabei sehe ich viele thematische Verbindungen zwischen den einzelnen Fachbereichen, die weiter ausgebaut werden können, aber auch diverse Schnittstellen zu anderen Abteilungen. Darüber hinaus möchte ich auf der einen Seite die Kooperationen mit den Universitäten und insbesondere mit der Uni Wuppertal vertiefen und auf der anderen Seite die Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen ausbauen, um die praktische Anwendbarkeit der Forschung sicherzustellen.

Welche Chancen sehen Sie für Ingenieur*innen in den nächsten Jahren?

Um den großen gesellschaftlichen Aufgaben wie Klimawandel, Nachhaltigkeit, Energiesicherheit, Security und Digitalisierung begegnen zu können, werden zahlreiche, gut ausgebildete Ingenieure verschiedener Disziplinen benötigt. Dabei werden insbesondere ganzheitliche und interdisziplinäre Lösungsansätze von Interesse sein und Ingenieure gesucht, die über den eigenen Tellerrand hinausschauen können. Das Berufsbild des Ingenieurs bzw. der Ingenieurin ist sehr vielseitig, wobei die Absolvent*innen sehr gute Berufschancen in vielfältigen Betätigungsfeldern (z. B. Forschung und Entwicklung, Projektierung, Produktion, Genehmigungsbehörden, Vertrieb) in diversen Industriezweigen haben. Durch die Kompetenzorientierung in der Ingenieursausbildung sind die Möglichkeiten in der Berufswahl breit gefächert und junge Menschen haben die besten Chancen am Arbeitsmarkt den Beruf auszuüben, der sie am meisten begeistert.

In einem Interview1 der Bergischen Universität Wuppertal werden Sie zitiert mit „[…] wir haben ganz klar zu wenige Ingenieure. Es ist mir auch ein Anliegen, immer wieder junge Menschen zu begeistern.“ – wie würden Sie bspw. zum Girls’Day oder auch darüber hinaus Mädchen für das Berufsbild begeistern?

Wir haben auch an der Universität vielfältige Angebote wie Girls Days, Junioruni, Tag der offenen Tür oder Angebote von Schülerpraktika. Nichtsdestotrotz nimmt das Interesse an ingenieurswissenschaftlichen Studiengängen in ganz Deutschland stetig ab. Um dem entgegenzuwirken müssen wir junge Menschen noch mehr von unseren Themen begeistern. Ich erlebe bei persönlichen Gesprächen auf solchen Veranstaltungen immer wieder, wie hoch der Informationsbedarf ist. Ingenieurswissenschaften werden immer noch zu wenig mit spannenden und zukunftweisenden Themen in Verbindung gebracht. Hier müssen Unis, Forschungseinrichtungen und die Unternehmen an einem Strang ziehen und deutlich mehr Aufklärungsarbeit leisten. Wir als BAM können da durchaus unseren Beitrag leisten.

1 Das Interview der Bergischen Universität Wuppertal ist hier nachzulesen

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