Dr. Janine George

Dr. Janine George leitet die Nachwuchsgruppe „computergestütztes Materialdesign“ an der BAM

Quelle: BAM

Herausragende Nachwuchswissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland haben an der BAM die Möglichkeit, eine eigene, unabhängige Nachwuchsgruppe aufzubauen und sich in der Community zu etablieren. Ihre Forschung soll sich dabei an den Themenfeldern der BAM – Energie, Infrastruktur, Umwelt, Material und Analytical Sciences – orientieren. Prof. Dr. Janine George aus der Abteilung Materialchemie ist gerade dabei, eine solche Nachwuchsgruppe zum Thema „computergestütztes Materialdesign“ aufzubauen. Sie interessiert dabei vor allem die datengesteuerte Suche nach neuen Materialien und das grundlegende chemische Verständnis für deren Aufbau.

Du hast an der RWTH Aachen, der Université catholique de Louvain und auch kurz a der University of Oxford studiert und geforscht. Was hat dich nach Berlin an die BAM gebracht?

Die Nachwuchsgruppenförderung an der BAM hat mich sofort sehr gereizt. Einmal dadurch, dass ich das Forschungsthema im Rahmen der KI-basierten Materialforschung und mit Bezug zu den Aufgaben der BAM völlig frei entwickeln durfte und es auch innerhalb der BAM viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt. Und zum anderen dadurch, solche so sicheren finanziellen Mittel zu Beginn der Nachwuchsgruppenkarriere zu haben. Zu diesem Zeitpunkt eine feste Stelle und gleichzeitig eine solche Gruppenfinanzierung zu bekommen, ist in Deutschland sehr ungewöhnlich. Typischerweise sind vergleichbare Stellen auf 3 bis 5 Jahre befristet und die Ausstattung fällt häufig geringer aus. Dass die BAM in Berlin ansässig ist, hat bei der Stellenauswahl auch geholfen. Es war allerdings nur eines von vielen Kriterien.

Du bist mit dem Vortrag „Data-driven materials discovery and chemical understanding“ gestartet – was fasziniert dich an diesem Thema?

Ich finde es sehr faszinierend, wie gut sich mittlerweile Materialeigenschaften bekannter und unbekannter Materialien voraussetzungsfrei vorhersagen lassen. Das ermöglicht es, heute am Computer nach neuen Materialien für Anwendungen im Bereich von Batterien oder für Solarzellen zu suchen. Wir können also riesige Datenbanken mit Materialeigenschaften berechnen, ohne dass wir all diese Materialien synthetisieren und experimentell charakterisieren müssen. Diese Datenbanken können wir dann durchsuchen oder nutzen, um Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens einzusetzen. Dies ist auf der Grundlage experimenteller Daten allein oft nicht möglich, da diese oft unter verschiedenen und manchmal unbekannten Bedingungen erhalten wurden und wir oft viel zu wenig experimentelle Daten haben. Insgesamt kann das helfen, neue Materialien zu finden oder auch neue chemische/physikalische Erkenntnisse in diesem Bereich zu erlangen.

Was möchtest du mit deiner Nachwuchsgruppe erreichen?

Es geht darum, neue chemische Regeln zu entwickeln, die es ermöglichen, schneller und mit mehr chemischen Verständnis nach Materialien mit interessanten Anwendungen zu suchen. Einige Materialeigenschaften lassen sich zwar berechnen, aber das dauert sehr lange und frisst viel Rechenzeit. Da wäre es schön, Abkürzungen zu finden, diese Materialeigenschaften vorauszusagen. Außerdem dauert es derzeit sehr lange, wirklich neue, synthetisierbare Materialien zu finden. Auch da möchte ich Abkürzungen entwickeln, die auf chemischen/ physikalischen Regeln beruhen. Das Periodensystem der Elemente und die Beziehungen zwischen den Elementen, die sich daraus ableiten lassen, bieten solche Möglichkeiten seit mehr als 150 Jahren. Ähnliche Regeln/ Heuristiken gibt es viele in der Chemie. Im Rahmen dieser Forschung werden wir auch einige Automatisierungen für Berechnungen entwickeln und Datenbanken mit berechneten Materialeigenschaften veröffentlichen.

In einem 2021 in Trends in Chemistry erschienen Artikel schreibst du von „Chemist versus Machine“ – werden in deiner Gruppe mehr Chemiker*innen oder mehr Programmierer*innen anzutreffen sein?

Die Nachwuchsgruppe wird sich mit computergestützten Materialwissenschaften beschäftigen. Das heißt, dass wir Forschung irgendwo zwischen Chemie, Physik und den Materialwissenschaften machen werden. Ein Fokus für uns ist definitiv die Simulation der elektronischen Struktur von Materialien und damit die Quantenmechanik. Darüber hinaus wird auch Datenanalyse und maschinelles Lernen eine Rolle spielen. Die Gruppe wird sich aus Physiker*innen, Chemiker*innen und Materialwissenschaftler*innen zusammensetzen, die bereits Erfahrungen im Bereich Simulation haben. Mittlerweile gibt es z. B. in Deutschland auch einige Studiengänge, die sich verstärkt mit solchen Simulationen beschäftigen. Materialinformatiker*innen könnten definitiv auch Teil der Gruppe sein. Bisher gibt es dazu aber noch kaum Studiengänge. Reine Informatiker*innen würden es vermutlich schwer haben, weil ihnen typischerweise die Grundlagen in der Quantenmechanik und das chemische/ physikalische Verständnis für die Simulationen fehlen.

Die BAM forscht seit 150 Jahren zu Sicherheit in Technik und Chemie – wie hängt das für dich mit KI-basierter Materialforschung zusammen?

Die datengetriebene Materialsuche erlaubt es, beispielsweise nach Materialien aus nicht-toxischen Elementen zu suchen, was deren Nutzung zum Beispiel als Solarzellen sicherlich erleichtern könnte. Außerdem beschäftigen wir uns gezielt mit Materialeigenschaften, die für die Sicherheit von Bauelementen wichtig sein könnten. Überhitzung von Bauelementen kann zum Problem werden und dadurch ist zum Beispiel die Wärmeleitfähigkeit eine wichtige Materialeigenschaft in diesem Zusammenhang.