
Gefahrguttank und Befeuerung
Quelle: BAM, Fachbereich Gefahrguttanks und Unfallmechanik
Etwa 300 Millionen Tonnen Gefahrgüter werden jedes Jahr nach Angaben des statistischen Bundesamts durch Deutschland transportiert. Knapp die Hälfte davon ist mit dem LKW unterwegs. Die Forschung der BAM spielt eine wichtige Rolle für die Sicherheit dieser Transporte. In einem internationalen Projekt erkunden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der BAM, welchen Belastungen die Gefahrguttanks bei einem Unfall ausgesetzt sein können.
„Wir untersuchen beispielsweise, wie sich ein Tank bei extremen Belastungen verhält, etwa wenn er einem Feuer ausgesetzt ist“, erklärt Prof. Dr. Frank Otremba. Er beobachtet nicht nur die Ereignisse während des Brands, sondern versucht, das komplexe Geschehen mit Hilfe eines dreidimensionalen Computermodells vorherzusagen. „Wir wollen verstehen, was in den Behältern bei einem solchen Unfall passiert“, erläutert Otremba, „und sie dadurch noch sicherer machen.“
Weltweit einzigartiger Versuchsstand
Die BAM hat dafür einen weltweit einzigartigen Versuchsstand entwickelt. Das Herzstück ist ein handelsüblicher Druckbehälter aus Stahl mit einem Durchmesser von einem Meter und 2600 Litern Fassungsvermögen. Das Innere ist zweigeteilt. Der größere Teil des Tanks nimmt die Flüssigkeit auf. Die ersten Tests wurden mit Wasser und Ethanol gemacht, demnächst soll im Prüfstand auch ein Tank mit dem Flüssiggas Butan unter Feuer gesetzt werden.
Das im Brandprüfstand simulierte sogenannte Poolfeuer ist ein typisches Feuerszenario: Bei einem Unfall ist eine Flüssigkeit ausgelaufen und unter dem Tank in Brand geraten. Während des Feuers registrieren mehr als 100 Messfühler jede Veränderung von Temperatur und Druck im Tank. Die andere Kammer enthält eine Beobachtungseinheit. Ein 19 Millimeter dickes, durchsichtiges Spezialglas trennt sie vom Rest des Druckbehälters. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgen mit Kameras und Lasertechnik das Geschehen im Tank, während er von außen unter Feuer gesetzt wird. Zusätzlich kann das Forscherteam die Bewegungen von Flüssigkeit und Dampf durch kleine silberbeschichte Keramikkugeln sichtbar machen. „Das ist ein etwas abenteuerliches Design, aber wir können dadurch die thermodynamischen Prozesse direkt verfolgen und Videos und Fotos aufnehmen sowie die Strömungsgeschwindigkeiten messen“, erklärt Otremba.
Große Temperaturunterschiede setzen Tank unter Druck
Während der Unterfeuerung bilden sich im Behälter Schichten unterschiedlicher Temperatur. „Im oberen Scheitelbereich des Tanks entsteht die Dampfphase“, erklärt Otremba, „wenn die darunter befindliche Flüssigkeit noch kalt ist, können an der Grenze zwischen Flüssigkeit und Dampf in einem vergleichsweise kleinen Bereich Temperaturunterschiede von mehreren hundert Grad auftreten.“ Diese großen Temperaturdifferenzen bedeuten eine gefährliche Beanspruchung für die Wand des Tanks, die an dieser Stelle reißen könnte. Eine zusätzliche Gefahr ergibt sich durch die ansteigenden Temperaturen im Dampfraum. Dadurch sinkt die Festigkeit des Werkstoffes, was letztendlich zum katastrophalen Versagen der Hülle führen kann. So kann beispielsweise ein nicht isolierter 2500-Liter-Metalltank bereits nach sieben Minuten bersten, wenn er zur Hälfte mit Wasser befüllt ist.

Die Bewegungen der Flüssigkeit und Blasen an der Wand werden während der Unterfeuerung sichtbar
Quelle: BAM
Die Daten aus den Experimenten der BAM dienen als Basis für die Computerberechnungen, die Forscherinnen und Forscher der Universität Bologna (Italien) und der Queen’s Universität Ottawa (Kanada) entwickelt haben. Das internationale Team überprüft, wie gut die dreidimensionalen mathematischen Modelle die Wirklichkeit wiedergeben. „Wir können die Modelle damit sehr gut optimieren“, so Otremba. „Die Daten werden dann wieder für Festigkeitsberechnungen für die äußere Schicht des Tanks genutzt.“ So kann das Forscherteam Vorschläge machen, wie Tanks auch außergewöhnliche Belastungen besser aushalten. Das Computermodell liefert auch Informationen, wie lange das Behältnis der Belastung durch das Feuer standhalten wird. Das ist zum Beispiel für die Feuerwehr interessant. Ein Bersten des Druckbehälters bedeutet eine große Gefahr für die Rettungsteams.
Behälter sollen optimiert werden
Je mehr Details die Forscherinnen und Forscher über das Verhalten von Gefahrgutbehältern während eines Brands wissen, desto besser können die Behälter optimiert werden. Die BAM empfiehlt diese Sicherheitsmaßnahmen auch auf internationaler Ebene. Natürlich gibt es schon Rechenmodelle für die Sicherheit von Tanks. „Industrie und Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt verwenden derzeit vereinfachte Modelle zur sicherheitstechnischen Bewertung von Tanks bei außergewöhnlichen Belastungen“, erklärt Otremba. Diese Modelle teilen den Tank meistens in verschiedene Zonen ein und rechnen dann mit den Mittelwerten aus Temperatur und Druckverteilung. Dieser vereinfachte Ansatz hat sich in der Praxis zwar bewährt, gleichzeitig sind jedoch sehr hohe Sicherheitsaufschläge bei der Risikobewertung nötig. „Wir sind sehr optimistisch, dass unsere Untersuchungen verbunden mit den begleitenden numerischen Analysen dazu beitragen, solche Sicherheitsaufschläge zu reduzieren, ohne die Sicherheit der Behältnisse zu gefährden“, sagt Otremba. Dadurch könnte die Herstellung der Gefahrguttanks kosteneffizienter werden.