29.08.2024

Zwei Windräder auf felsigen Bergen vor blauem Himmel und Wolken.

Windenergieanlage in Norwegen, an der sowohl thermografische als auch visuelle Messungen für den Referenzdatensatz gemacht wurden.

Quelle: BAM

Projektlaufzeit

Projektart

BAM eigenes Projekt

Projektstatus

Laufend

Kurzbeschreibung

In KI-VISIR wird ein Referenzdatensatz mit thermografischen und visuellen Inspektionsdaten von Rotorblättern von Windenergieanlagen erstellt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Ort

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Unter den Eichen 87
12205 Berlin

Schwarz-weißes Thermogramm eines Rotorblattes einer Windenergieanlage.

Quelle: BAM

Durch den voranschreitenden Ausbau der Windenergie in Deutschland und Europa werden immer mehr und immer größere Windenergieanalagen erbaut. Um die bis zu 100 Meter langen Rotorblätter zu warten, bedarf es neben der Wartung durch Industriekletterer auch digitale Methoden zur Inspektion und Schadensklassifizierung. Neben visueller Fotografie von der Drohne und vom Boden können auch thermografische Aufnahmen mit Wärmebildkameras genutzt werden.

Ein Pfeil in der Mitte einer Zielscheibe

Quelle: BAM

Die Datenauswertung ist bei digitalen Inspektionsmethoden, sei es visuelle Fotografie oder Thermografie, zentral und kann durch moderne Algorithmen unterstützt werden. Künstliche Intelligenz bietet hier Potenzial, das Trainieren eines solchen Algorithmus erfordert jedoch einen geeigneten Datensatz. Ziel dieses Projekts ist es, einen Referenzdatensatz mit visuellen und thermografischen Inspektionsdaten von 30 Windenergieanlagen zu erstellen und öffentlich zugänglich zu machen.

Stilisierter Programmablaufplan

Quelle: BAM

Zur Erstellung des Referenzdatensatzes haben Teams der BAM und von Romotioncam in enger Zusammenarbeit 30 Windenergieanlagen im Betrieb sowohl thermografisch als auch visuell vermessen. Diese parallele Messung ermöglicht es, die thermografischen und visuellen Daten direkt miteinander zu vergleichen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf Erosionsschäden gelegt, die in visuellen Bildern oft nicht zu erkennen sind, aber in den thermografischen Aufnahmen durch Turbulenzen deutlich erkennbar werden.

Händeschütteln

Quelle: BAM

Das Projekt, Teil von QI-Digital, zeigt die Bedeutung von Referenzdaten für eine digitale Qualitätsinfrastruktur. Durch die Kombination von thermografischer und visueller Inspektion sowie KI-basierter Bilderkennung wurde der Referenzdatensatz erstellt. Neben der BAM waren Romotioncam mit ihrem patentierten visuellen Inspektionssystem und das Marburger Start-up LATODA, spezialisiert auf KI-basierte Bilderkennung, beteiligt.

Thermografie als Inspektionsmethode für Rotorblätter

Hintergrund: Regenerosion an Rotorblättern

Windenergieanlagen spielen eine Schlüsselrolle bei der Erreichung globaler Klimaziele. Ihre Effizienz hängt jedoch stark vom Zustand der Rotorblätter ab, die den Wind in kinetische Energie umwandeln. Rotorblätter sind hochentwickelte aerodynamische Strukturen, die für optimale Strömungsverhältnisse ausgelegt sind. Ein zentrales Problem für ihre Leistungsfähigkeit ist die sogenannte Regenerosion an der Vorderkante der Rotorblätter. Wenn Regen oder andere Partikel auf die Blätter treffen, kann es zu mikroskopischen Schäden kommen, die über Zeit zu Erosionsschäden führen. Diese Schäden bewirken einen frühzeitigen Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung, was die aerodynamische Effizienz erheblich verringert. Die Folge ist eine reduzierte Energieproduktion, die sich auf bis zu 3,7 % der jährlichen Energieerzeugung belaufen kann. Der Effekt dieser Erosion ist nicht nur eine reduzierte Leistung, sondern auch eine erhöhte Belastung der Struktur, die zu vorzeitiger Materialermüdung führen kann. Um diese Schäden zu minimieren und die Energieausbeute zu maximieren, sind regelmäßige Inspektionen der Rotorblätter unerlässlich.

Thermografische Inspektion von Rotorblättern und deren Einfluss

Die thermografische Inspektion hat sich als eine wirksame Methode zur Früherkennung von Erosionsschäden etabliert. Dabei wird die Temperaturverteilung auf der Oberfläche der Rotorblätter mit einer Infrarotkamera gemessen. Turbulenzen, die durch Oberflächenschäden verursacht werden, verändern die lokale Temperatur des Blattes. Diese Temperaturunterschiede können in Thermogrammen sichtbar gemacht werden. Der Einfluss solcher Schäden geht über die Oberflächenebene hinaus: Auch die innere Struktur des Rotorblatts, die thermischen Eigenschaften des Materials, und externe Faktoren wie Sonneneinstrahlung und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Beispielsweise kann die Sonneneinstrahlung zu erheblichen Temperaturunterschieden führen, die auf den Thermogrammen als Anomalien erscheinen, aber keine tatsächlichen Schäden darstellen. Ebenso beeinflusst die Windströmung um das Blatt herum die Temperaturmessungen, da turbulente Strömungen zu einer erhöhten Wärmeübertragung führen können. Diese komplexen Wechselwirkungen erfordern eine genaue Analyse, um die tatsächliche Schäden von harmlosen Oberflächeneffekten zu unterscheiden.

Der Vorteil von KI-Bildauswertung bei No-Downtime-Inspektionen vom Boden

Ein entscheidender Fortschritt in der Inspektionstechnologie ist die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) zur automatisierten Bildauswertung. Während herkömmliche Inspektionsmethoden, wie sie oft von Industriekletterern durchgeführt werden, zeitaufwendig und teuer sind, ermöglicht die visuelle und thermografische Inspektion vom Boden aus eine schnelle und kostengünstige Analyse. Vor allem bei den thermografischen Aufnahmen liegt die Herausforderung jedoch in der Interpretation der Daten: Thermogramme sind komplex und enthalten zahlreiche Informationen, die für ungeübte Betrachter schwer zu deuten sind. Hier kommt die KI ins Spiel. Durch den Einsatz von Convolutional Neural Networks (CNN) können die erfassten Daten automatisch analysiert und Schadensmuster identifiziert werden. Diese Algorithmen sind in der Lage, kleinste Veränderungen in der Temperaturverteilung zu erkennen und präzise auf mögliche Schäden hinzuweisen. Ein großer Vorteil dieser Methode ist die Möglichkeit, die Inspektionen ohne Betriebsunterbrechung durchzuführen. Da die Analyse in Echtzeit erfolgen kann, ist es möglich, sofortige Wartungsentscheidungen zu treffen, ohne die Anlage stilllegen zu müssen. Dies minimiert Ausfallzeiten und maximiert die Effizienz der Wartungsplanung.

Das Projekt KI-VISIR und der Nutzen des erstellten Referenzdatensatzes

Im Rahmen des Projekts KI-VISIR (Künstliche Intelligenz Visuell und Infrarot Thermografie) wurden thermografische und visuelle Inspektionen an insgesamt 30 Windenergieanlagen durchgeführt. Ziel des Projekts war es, einen umfangreichen Referenzdatensatz zu erstellen, der es ermöglicht, die Ergebnisse beider Inspektionsmethoden miteinander zu vergleichen und die Effizienz der KI-basierten Bildauswertung zu verbessern. Der Datensatz umfasst über 2.200 visuelle Bilder und mehr als 1.200 Thermogramme, die unter verschiedenen Betriebsbedingungen der Turbinen aufgenommen wurden. Dieser Datensatz steht in Kürze öffentlich zur Verfügung und bietet wertvolle Einblicke für die Weiterentwicklung von Inspektionstechnologien.

Der Nutzen dieses Datensatzes ist vielfältig. Zum einen ermöglicht er es, die KI-Algorithmen weiter zu verfeinern und ihre Genauigkeit bei der Schadensdetektion zu erhöhen. Andererseits bietet er Forschern und Entwicklern die Möglichkeit, neue Methoden zur Verbesserung der Windturbineninspektion zu testen und zu validieren. Der Datensatz zeigt auch die Bedeutung von realen, qualitativ hochwertigen Messdaten für das Training moderner KI-Systeme. Durch die Verfügbarkeit dieser Daten können Windparkbetreiber und Wartungsfirmen ihre Inspektionsprozesse optimieren und die Lebensdauer der Anlagen verlängern.

Abschließend wird das Projekt KI-VISIR in zwei Veranstaltungen vorgestellt: Ein technischer Workshop mit anschließender Podiumsdiskussion findet am 18. und 19. September 2024 statt, gefolgt von einer Pressekonferenz auf der Messe WindEnergy Hamburg am 24. September 2024. Diese Events bieten eine Plattform, um die Ergebnisse der Studie zu diskutieren und deren Relevanz für die Zukunft der Windenergie hervorzuheben.

Weiterführende Informationen und Veranstaltungen

Podiumsdiskussion BAM Akademie: Kurse (bam-akademie.de) (Anmeldung erforderlich)

Projektpartner

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Fachbereich Thermografische Verfahren
LATODA
ROMOTIONCAM

Förderung

Qi-Digital | Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Weiterführende Informationen

Weiterführende Links