01.10.2019
Experimenteller Aufbau zur kinetischen Datenaufnahme und Beispielspektren

Experimenteller Aufbau zur kinetischen Datenaufnahme und Beispielspektren

Quelle: BAM, Fachbereich Strukturanalytik

Die feste Form eines Moleküls spielt eine entscheidende Rolle für dessen physikalische Eigenschaften. Die Auflösung eines pharmazeutischen Materials zum Beispiel steht in engem Zusammenhang mit der Orientierung von Molekülen im festen Zustand. Die biologische Aktivität eines pharmazeutischen Moleküls wiederum hängt ebenfalls von seiner festen Struktur ab. Die Abstimmung der physikalischen Eigenschaften von Feststoffen ist daher für Industrie und Wissenschaft von Interesse. Ein Ansatz zur Veränderung der Festkörperstruktur besteht darin, mehrere verschiedene Moleküle in derselben festen Form zu kombinieren: den Kokristallen. Leider sind traditionelle Strategien der Kokristallsynthese lösungsmittelintensiv. Ein moderner, alternativer Ansatz - die Mechanochemie - ermöglicht stattdessen die Bildung von Kokristallen durch Mahlen von trockenen Materialien, ohne Zugabe von Massenlösungsmitteln. Leider scheint die Mechanochemie vielen Regeln der Lehrbuchchemie zu widersprechen, was ihre Vorhersagbarkeit und damit ihre industrielle Anwendung stark einschränkt.

Mit in situ Techniken wurden die mechanisch-chemischen Synthesen von zwei pharmazeutisch relevanten Drei-Komponenten-Kokristallen in Echtzeit untersucht. Scheinbar geringe Veränderungen im mechanochemischen Verfahren führten zu wichtigen mechanistischen Veränderungen in den mechanochemischen Synthesen. Bei der Durchführung mit hoher Energie oder unter völlig lösungsmittelfreien Bedingungen bildeten sich die Drei-Komponenten-Kokristalle direkt aus den Ausgangsmaterialien. Bei geringerer Energie oder unter Zugabe von Mikrolitern Flüssigkeit entstand ein konkurrenzfähiges Kokristall-Produkt. Die unvorhersehbare Bildung von Konkurrenzprodukten stellt ein großes Problem für die Entwicklung robuster und zuverlässiger Verarbeitungsstrategien dar, insbesondere in der Feinchemie. Sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit als auch die Produktintegrität können durch das Vorhandensein alternativer Reaktionswege, oft auf unvorhersehbare Weise, beeinträchtigt werden. Die Identifizierung der Auswirkungen von Verarbeitungsparameter auf die Reaktionsmechanismen ist entscheidend für die a priori Bewertung und für die Gestaltung neuer Fertigungstechnologien von entscheidender industrieller Bedeutung.

Manipulating the dynamics of mechanochemical ternary cocrystal formation
Hannes Kulla, Adam Michalchuk, Franziska Emmerling
erschienen in Chemical Communications, 2019, Volume 55, Issue 66, Pages 9793 - 9796
BAM, Fachbereich Strukturanalytik