Team beim Parabelflug

Prof. Dr. Jens Günster, Leiter des Fachbereichs Keramische Prozesstechnik und Biowerkstoffe an der BAM (links) mit Prof. Dr. Andreas Meyer, Direktor des Instituts für Materialphysik im Weltraum des DLR (rechts)

Quelle: BAM, Fachbereich Keramische Prozesstechnik und Biowerkstoffe

Forschen in der Schwerelosigkeit: Ein Team unter Prof. Dr. Jens Günster, Leiter des Fachbereiches Keramische Prozesstechnik und Biowerkstoffe und Professor für Hochleistungskeramik an der TU Clausthal führt Experimente zur additiven Fertigung unter Microgravity-Bedingungen durch. Ziel ist es, zum Beispiel Werkzeuge im Space herstellen zu können. Mit dem Projekt „Pulverbasierte additive Fertigung unter Schwerelosigkeit” hat das Team in den letzten drei Jahren an Parabelflügen des DLR teilgenommen, um die entwickelten Geräte und Verfahren unter Realbedingungen testen zu können. Aktuell laufen Untersuchungen für einen Testlauf in einer Forschungsrakete. Hierfür muss – basierend auf den Erfahrungen der bisherigen Versuche im Parabelflugzeug – eine gänzlich neue Anlage entwickelt werden.

Additive Fertigung, auch bekannt als 3D-Druck, bietet vielfältige Möglichkeiten, Bauteile aus flüssigem, pulver- oder fadenförmigem Ausgangsmaterial, herzustellen. Dabei stehen grundsätzlich Materialien aus allen Klassen wie Metalle, Kunststoffe und Keramik, aber auch Verbundwerkstoffe, zur Verfügung. Insgesamt lassen sich durch additive Fertigung aus ein und demselben Ausgangsmaterial sehr flexibel und schnell, vor allem aber direkt am jeweiligen Ort, eine Vielzahl von Bauteilen oder Werkzeugen herstellen. Dadurch sind auch Anwendungen in der Raumfahrt – im Erdorbit oder darüber hinaus auf z.B. Mond- oder Mars-Basen bzw. während Flügen dorthin – in Zukunft von großem Interesse.

Derartige Fertigungsverfahren, selbst wenn sie auf der Erde gut erprobt und marktreif sind, für die Anwendung in reduzierter Schwerkraft zu adaptieren ist keineswegs trivial. Zum einen bestehen grundsätzlich andere Anforderungen an die Hardware entsprechender Fertigungsmaschinen, zum anderen sind es häufig anspruchsvollere Materialien, die in der Raumfahrt Anwendung finden.

Gegenstand des Forschungsprojektes ist das Verfahren SLS (Selective Laser Sintering), bei dem aus einzelnen Lagen metallischen Pulvers durch einen fokussierten Laserstrahl das gewünschte Bauteil geformt wird – Schicht für Schicht. Die Spanne der möglichen Materialien ist bei diesem Verfahren sehr breit. Eine der größten Herausforderungen dieses Verfahren unter Schwerelosigkeit ist die Handhabe des Metallpulvers und der gezielte Auftrag einer Pulverschicht von dichter Packung und gleichmäßiger Dicke. Denn diese Parameter dominieren Qualität und Materialkennwerte des fertigen Bauteiles. Ferner muss diese Schicht stabil auf dem Druckbett verbleiben, bis der Laserprozess abgeschlossen ist und die nächste Schicht aufgetragen wird. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein Gasstrom angeregt, und die einzelnen Partikel des Pulvers auf dem Druckbett angesaugt. Dieses Verfahren, das Pulver im Druckbereich zu stabilisieren, wurde bereits zuvor auf Parabelflügen in verschiedenen Variationen erprobt und zeigt eine hohe Zuverlässigkeit.

Im aktuellen Parabelflug soll, basierend auf dem bewährten Prinzip, eine gänzlich neue Anlage erprobt werden. Die neue Anlage ist als Nutzlast einer Forschungsrakete konzipiert und soll 2020 erstmals auf einer MAPHEUS-Rakete eingesetzt werden. Die neuentwickelte Fertigungseinheit arbeitet vollautomatisiert, verfügt über eine unabhängige Energieversorgung, ist robust gegen die bei einem Raketenstart auftretenden Belastungen und von geringem Gewicht. Über eine Telemetrieverbindung lässt sich der Fertigungsprozess vom Boden aus Überwachen. Neben der erstmaligen Erprobung der Hardware unter Schwerelosigkeit geht es auch um das Optimieren von Anlagenparametern für unterschiedliche, anspruchsvolle Materialien, wie etwa metallische Massivgläser.